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Das Mikrobiom in der Rheumatologie: Hype or Hope?

Berlin, Juli 2021

Als Mikrobiom wird die Gesamtheit aller Viren, Bakterien, Pilze und anderer Mikroben bezeichnet, die auf oder in unserem Körper leben – eine Lebensgemeinschaft, deren Einfluss auf die menschliche Gesundheit erst allmählich verstanden wird. Besonders das Immunsystem steht in permanenter Wechselwirkung mit den Mikroben, die Haut und Schleimhäute besiedeln. Wie die Zusammensetzung des Mikrobioms sich auf die Immunfunktion auswirkt, was das speziell für rheumatische Erkrankungen bedeutet und welche Rolle die Ernährung für Krankheitsrisiko und -verlauf spielt, wird ein Thema auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) sein, der im September stattfindet. Auch ein Seminar der rheumatologischen Fortbildungsakademie am 22. Juli 2021 wird sich mit der Rolle des Mikrobioms bei Autoimmunerkrankungen beschäftigen.

Entzündlich-rheumatische Erkrankungen und andere Autoimmunerkrankungen sind durch eine Fehlfunktion des Immunsystems gekennzeichnet: Körpereigene Strukturen und Gewebe werden zum Gegenstand des Immunangriffs, Entzündungen bis hin zu Gewebezerstörungen sind die Folge. Die Tatsache, dass die Balance zwischen entzündungsfördernden und entzündungshemmenden Immunzellen auch durch das Mikrobiom beeinflusst wird, hat die mikrobiellen Mitbewohner auch für die Rheumaforschung interessant gemacht. „Tatsächlich sind in den vergangenen Jahren bereits mehrere krankheitsfördernde Keime entdeckt worden, die Autoimmunität anstoßen oder verschlechtern können“, sagt Professor Dr. med. Martin Kriegel von der Sektion Rheumatologie und Klinische Immunologie des Universitätsklinikums Münster, der selbst auf dem Gebiet forscht und das Seminar der Rheumaakademie leiten wird. So haben etwa Versuche an Mäusen und an menschlichen Gewebeproben gezeigt, dass die Darmbakterien Prevotella copri und Enterococcus gallinarum die Aktivität entzündungsfördernder TH17-Immunzellen verstärken und die Produktion von Autoantikörpern anstoßen. Auch die Barrierefunktion der Darmschleimhaut, die den übrigen Körper vor Krankheitserregern, Schadstoffen und Allergenen schützt, hängt entscheidend von der Zusammensetzung des Mikrobioms ab.

Wie aber sieht ein gesundes Mikrobiom aus? Die Forschung hierzu steht noch am Anfang, und womöglich gibt es keine einfache und für alle Menschen gültige Antwort auf diese Frage. Allgemein gilt jedoch: Je größer die Artenvielfalt innerhalb des Mikrobioms ist, desto weniger stark können schädliche Keime sich vermehren. „Bei rheumatischen Erkrankungen spielt jedoch auch die genetische Veranlagung eine Rolle“, betont Kriegel. Möglicherweise ließen sich in absehbarer Zeit Subgruppen von Patienten identifizieren, die besonders von der Eliminierung schädlicher Keime profitierten.

Gerade das Darmmikrobiom ist in seiner Zusammensetzung und Vielfalt stark davon abhängig, was wir zu uns nehmen. „Der zunehmende Verzehr verarbeiteter Nahrungsmittel und der Gebrauch von Antibiotika reduzieren die Diversität des Darmmikrobioms deutlich“, sagt Professor Dr. med. Andreas Krause, Chefarzt für Rheumatologie und Klinische Immunologie am Immanuel Krankenhaus Berlin und amtierender Präsident der DGRh. Umgekehrt könne die Ernährung aber auch als Ansatzpunkt dienen, um das Mikrobiom und damit den Verlauf entzündlich-rheumatischer Erkrankungen positiv zu beeinflussen. Bereits seit vielen Jahrzehnten wird etwa das Heilfasten in der Therapie der rheumatoiden Arthritis eingesetzt. Wie Studien belegen, trägt die vorübergehende Begrenzung der Kalorienzufuhr dazu bei, die Krankheitsaktivität zu senken, Schmerzen zu lindern und die Gelenkfunktion zu verbessern. Was dabei im Körper der Patienten abläuft, ist noch nicht bis ins Detail verstanden. Bekannt ist jedoch, dass der Stoffwechsel sich beim Fasten - ebenso wie bei der ketogenen Diät, bei der nur sehr wenige Kohlenhydrate aufgenommen werden – stark umstellt und sich verstärkt so genannte Ketonkörper bilden. „Diese Ketogenese beeinflusst sowohl das Mikrobiom als auch das Immunsystem günstig“, erläutert Kriegel. So nehme zum Beispiel die Zahl der entzündungsfördernden TH17-Zellen im Darm ab. Welche Fastenmethoden oder Ernährungsweisen für welche Erkrankung bzw. Untergruppen einer Erkrankung am besten geeignet seien und wie nachhaltig sie wirkten, müsse jedoch noch in weiteren Studien untersucht werden

 

Bei Abdruck Beleg erbeten.

 

Literatur:

Ruff WE, Greiling TM, Kriegel MA. Host-microbiota interactions in immune-mediated diseases. Nat Rev Microbiol 2020; 18: 521–538

Vieira SM, Hiltensperger M, Kumar V et al. Translocation of a gut pathobiont drives autoimmunity in mice and humans. Science 2018; 359: 1156–1161

Greiling TM, Dehner C, Chen X et al. Commensal orthologs of the human autoantigen Ro60 as triggers of autoimmunity in lupus. Sci Transl Med 2018 Mar 28; 10: eaan2306

Zegarra Ruiz D, El Beidaq A, Iñiguez AJ et al. A diet-sensitive commensal Lactobacillus strain mediates TLR7-dependent systemic autoimmunity. Cell Host Microbe 2019; 25: 113–127.e6

Maifeld A, Bartolomaeus H, Löber U et al. Fasting alters the gut microbiome reducing blood pressure and body weight in metabolic syndrome patients. Nat Commun 2021; 12: 1970

Zaiss MM, Joyce Wu HJ, Mauro D, et al. The gut-joint axis in rheumatoid arthritis. Nat Rev Rheumatol. 2021;17(4):224-237

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