Radiosynoviorthese
Inhaltsverzeichnis
1. Durchführung
2. Studien / klinische Erfahrungen
3. Vergleichsstudien mit Glukokortikoiden
4. Beobachtungsstudien
5. Placebo-Studien / Meta-Analysen
6. Besondere Diagnosen
7. Allgemeine Aussagen
8. Strahlenhygiene
9. Indikationen / Kontraindikationen
10. Wirksamkeit
11. Zusammenfassung
12. Literatur
13. Buchbesprechungen
Erstveröffentlichung April 2006 / zuletzt überprüft August 2024
Für die ordnungsgemäße Durchführung einer Gelenkpunktion ist die Kenntnis der topographischen Anatomie unabdingbar. Darstellungen von Punktionstechniken können der entsprechenden Literatur entnommen werden [25, 31]. Da die RSO eine besondere Form der intraartikulären Therapie darstellt, sind die Empfehlungen für die Durchführung intraartikulärer Punktionen und Injektionen zu berücksichtigen, welche von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) und der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie veröffentlicht wurden [2, 12]. Die intraartikuläre Lage der Punktionskanüle ist durch geeignete Maßnahmen, beispielsweise Bildwandler- oder Ultraschall- Kontrolle oder Gewinnung von Gelenkpunktat, zu sichern. Zur Vermeidung von Stichkanal-Nekrosen ist die Injektionskanüle vor und während des Zurückziehens mit 0,9iger NaCl-Lösung zu spülen. Die technische Durchführung und die empfohlenen Vor- und Nachuntersuchungen zur Radiosynoviorthese werden schon jetzt in Leitlinien (Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin [9], Europäische Gesellschaft für Nuklearmedizin dargestellt.
2. STUDIEN UND KLINISCHE ERFAHRUNGEN
Die intraartikuläre Injektion eines Radionuklids (beta-Strahler mit einer Reichweite von wenigen Millimetern) führt zu einer Denaturierung oberflächlicher synovialer Strukturen, in deren Folge die entzündliche Aktivität der Synovialitis abnimmt. Eine Verminderung der Schwellungsneigung, von Bewegungsschmerz und Bewegungseinschränkung sowie eine Abnahme der Synovialmembrandicke wurden beschrieben [16].
Die verwendeten Präparate, die sich hinsichtlich Eindringtiefe und Halbwertszeit unterscheiden, sind in folgender Tabelle aufgeführt.
Radionuklid | HWZ (h) | Max. Energie der ß-Strahlung (MeV) |
Penetration in mm (max./min.) |
Gelenke | Empfohlene Aktivität (MBq) |
Intervall zur Re-RSO (Monate) |
---|---|---|---|---|---|---|
90-Yttrium (Zitrat/Silikat) |
64 | 2,27 | 3,6/11 | Knie | 185-275 | 6, bei Erguss 3 |
186-Rhenium (Kolloid/Sulfid) |
89 | 1,07 | 1,2/3,7 | Hüftgelenk Schultergelenk |
110-185 74-111 |
6 |
169-Erbium (Zitrat) |
226 | 0,34 | 0,3/1,0 | MCP,MTP PIP,DIP |
18,5-37 9-18,5 |
6 |
Tab. 1 Eigenschaften der zur Radiosynoviorthese verwendeten Nuklide [36–38]
Die veröffentlichten Arbeiten zur RSO sind nur schwer miteinander vergleichbar und entsprechen zumeist dem Evidenz- Level III (Vergleichsstudie, Fall- Kontroll-Studie). Sie kommen mehrheitlich zu dem Schluss, dass eine Schmerzlinderung und eine Abnahme der Schwellungsneigung der behandelten Gelenke für einen Zeitraum von ein bis fünf Jahren bei der „Mehrzahl“ der Patienten erzielt wird. Umfangreiche doppelblinde, randomisierte Studien zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Radiosynoviorthese liegen zur Zeit nicht vor.
Die Publikationen zeigen in der Regel folgende Schwächen:
- Die behandelten Patienten leiden an unterschiedlichen Erkrankungen mit dem Hauptsymptom einer Synovialitis. Die Auswertung erfolgt ohne Differenzierung der Ursache der Synovialitis. Die Gruppeneinteilung ist nicht immer nachvollziehbar [40].
- Es besteht kein Konsens hinsichtlich der Kombination der Radiosynoviorthese mit einer Glukokortikoid-Injektion. Mitunter fehlt eine entsprechende Angabe in den veröffentlichten Arbeiten gänzlich.
- Begleitmedikationen während der Nachbeobachtungszeit (viele Untersuchungen sind retrospektiv angelegt) sind nicht standardisiert. Insbesondere bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ist ein zusätzlicher (positiver) Effekt durch eine parallel erfolgende Basistherapie zu erwarten.
- Viele Arbeiten fassen bei der Auswertung Gelenke zusammen, die mit unterschiedlichen Präparaten (Erbium, Rhenium, Yttrium) behandelt wurden. Besonders bei großen Gelenken lassen sich erhebliche Schwankungsbreiten der applizierten Strahlendosis finden.
- Es liegen nur wenige placebo-kontrollierte Studien vor.
- Für die Messung des Therapieerfolges wird kein einheitliches oder validiertes Instrumentarium verwendet.
- Die häufig angeführte Empfehlung einer Dosisfestlegung anhand des szintigrafischen Befundes kann nicht auf entsprechende Untersuchungsergebnisse zurückgeführt werden.
- Ein Placebo-Effekt wird vernachlässigt.
Eine Umfrage in Europa bei 2300 Mitgliedern der Europäischen Gesellschaft für Nuklearmedizin ergab, dass in den Jahren 1991 bis 1993 in 119 von 490 nuklearmedizinischen Zentren Radiosynoviorthesen durchgeführt wurden. Ein Viertel dieser Zentren befand sich in Deutschland, 14 in Frankreich, 12 in den Niederlanden und 8 in Belgien. Durchschnittlich wurden 38 Gelenke pro Zentrum und Jahr behandelt, wobei es sich in der Hälfte der Fälle um Kniegelenke handelte [5]. Die unterschiedliche Bedeutung der RSO in einzelnen Ländern spiegelt sich in der Metaanalyse von Jones [24] wider. Die fehlende Zulassung von Triamcinolonhexacetonid für intraartikuläre Applikation in Australien führte zu größeren Zahlen von Radiosynoviorthesen. In Analogie gingen die RSO-Zahlen in Schweden nach Zulassung von Triamcinolonhexacetonid zur intraartikulären Anwendung deutlich zurück.
3. VERGLEICHSSTUDIEN MIT GLUKOKORTIKOIDEN
Gumpel [19] fand keine signifikanten Vorteile für 169-Erbium im Vergleich zu Methylprednisolon bei Injektion in Fingergrund- und mittelgelenke von Patienten mit rheumatoider Arthritis. Eine Überlegenheit von 169-Erbium gegenüber Triamcinolonhexacetonid konnte nicht gezeigt werden [34, 43]. In wenigen Untersuchungen wurde eine Überlegenheit der Radiosynoviorthese gegenüber der intraartikulären Glukokortikoidinjektion festgestellt. Göbel et al. verglichen in einer prospektiven dreijährigen Studie [13, 14] die Radiosynoviorthese mittlerer und kleiner Gelenke mittels 186-Rhenium und 169-Erbium mit einer alleinigen Triamcinolonhexacetonid-Injektion und kamen zu dem Ergebnis, dass die besten Resultate in der Gruppe der Patienten erzielt werden konnten, welche sowohl ein Radionuklid als auch Triamcinolon intraartikulär erhielten. Einige Untersuchungen ergaben eine Überlegenheit der Radiosynoviorthese gegenüber der intraartikulären Glukokortikoid-Injektion, u.a. bei Patienten mit Chondrocalcinose [8]. Eine gleichzeitige Glukokortikoid-Injektion ist in der Lage, die Strahlen-Synovialitis zu reduzieren [17].
Erbium.
Menkes [35] und Delbarre [7] berichteten als erste über die Wirksamkeit der RSO an kleinen Fingergelenken. Wesentlich für den Erfolg der RSO ist eine ausreichende Immobilisierung über mehrere Tage. Konsequente Ruhigstellung sollte für die Dauer der einfachen Halbwertszeit eingehalten werden. Es wird vermutet, dass weniger zufriedenstellende Ergebnisse der Behandlung kleiner Fingergelenke auf die mangelhafte Immobilisation zurückzuführen sind [13].
Rhenium.
In einer Untersuchung fand sich ein (von den Autoren [49] selbst definierter) „guter Effekt“ der RSO bei 56 behandelter Sprunggelenke, wobei vorzugsweise Patienten mit RA (49 RA, 3 Psoriasis arthropathica, 1 posttraumatisch, 1 reaktive Arthritis) behandelt worden waren. Die Autoren kamen zudem zu der Schlussfolgerung, dass bei höherem Steinbrocker-Stadium ein schlechteres Ergebnis erzielt wird. Informationen über die laufende antirheumatische Therapie liegen nicht vor. Kerschbaumer et al. [29, 42] empfahlen auf Grund der Ergebnisse einer vergleichenden Studie, sechs Wochen nach arthroskopischer Synovektomie eine Radiosynoviorthese anzuschließen. Diese kombinierte Behandlung zeigte sich gegenüber der alleinigen Radiosynoviorthese am oberen Sprunggelenk signifikant und gegenüber der alleinigen arthroskopischen Synovektomie im Trend (symptomatische Besserung) überlegen.
Yttrium.
Aus dem Jahre 1975 stammt eine vergleichende Untersuchung von Radiosynoviorthese und operativer Synovektomie [20] am Kniegelenk. Die Autoren konnten bei einer Nachuntersuchungszeit von 2 Jahren keinen Unterschied in der Häufigkeit von Lokalrezidiven der Synovialitis feststellen und stellten die geringere Komplikationsrate der RSO heraus. Die Zugabe von Triamcinolonacetat zu 90-Yttrium bot an einer größeren Gruppe von Patienten mit Kniegelenks-Arthritis keinen Vorteil in der kurz- und mittelfristigen Wirksamkeit [48].
5. PLACEBO-STUDIEN / META-ANALYSEN
Die Überlegenheit der RSO mit 169-Erbium gegenüber Placebo bei Patienten mit rheumatoider Arthritis konnte in einer doppelblinden Studie an kleinen Fingergelenken dokumentiert werden [3]. Jahre später erschien eine erste Metaanalyse [24] über die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der RSO mit 90-Yttrium am Kniegelenk. Heuft-Dorenbosch et al. [22] veröffentlichten 2000 eine umfangreiche Übersicht zur RSO (Evidenz-Level Ia). Die Autoren sichteten 184 Arbeiten zu dieser Thematik, von denen nach ihrer Auffassung letztlich nur fünf [1, 4, 6, 15, 50] die Kriterien einer randomisierten doppelblinden Studie an Patienten mit rheumatoider Arthritis und persistierender Kniegelenkarthritis erfüllten, wobei noch immer Unterschiede zwischen diesen Studien wie z.B. differierende Strahlendosen festzustellen waren. Bridgman et al. [4] zeigten, dass 12 Monate nach Yttrium-RSO der Bewegungsumfang des behandelten Kniegelenkes im Vergleich zu Placebo signifikant zugenommen und der Kniegelenk-Umfang signifikant abgenommen hatte.
Die Studie von Grant [15] kam zu dem Ergebnis, dass Triamcinolonhexacetonid die Beweglichkeit mehr verbessert als 90-Yttrium, wobei in den nachfolgenden sechs Jahren offener Beobachtung die antirheumatische Basistherapie häufiger in der Triamcinolonhexacetonid- Gruppe geändert werden musste. Unterschiede hinsichtlich Schmerz, Schwellungsneigung des behandelten Gelenkes, Röntgenprogredienz und einem „Patient global score“ bestanden nicht.
Die Autoren der Metaanalyse kommen zu dem Schluss, dass der genaue Stellenwert der Yttrium-Radiosynoviorthese noch mit weiteren randomisierten, kontrollierten Studien herausgearbeitet werden muss und schlagen ein entsprechendes Konzept unter Einbeziehung nichtinvasiver Techniken wie MRT oder Arthrosonographie und kompletter Dokumentation der medikamentösen Therapie vor. In einer dritten Metaanalyse, die jedoch auch Studien ohne Vergleichsgruppen einschloss, fassten Kresnik et al. [30] 2190 behandelte Gelenke zusammen. Wenngleich 1880 Gelenke im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis behandelt wurden, sind hier zahlreiche Diagnosen in die Beobachtung eingegangen (Osteoarthrose 121, Spondylitis ankylosans 18, Psoriasisarthropathie 15, Reiter- Syndrom 4, von Willebrand-Erkrankung 15, Hämophilie 116).
Die 26 ausgewählten Arbeiten berichteten über die Behandlung von Knie-, Finger-, Schulter-, Ellenbogen-, Hüft-, Sprung- und Handgelenken. Wesentlich ist die Aussage, dass eine fehlende Response bei instabilen, deformierten Gelenken sowie nach vorangegangener erfolgloser RSO zu erwarten ist. Metaanalysen im strengen Sinne über die Ergebnisse der RSO bei aktivierter Arthrose, Arthropathie bei Hämophilie oder villonodulärer Synovialitis existieren gegenwärtig nicht.
Die Arbeitsgruppe um Weseloh [28] konnte an Patienten mit pigmentierter villonodulärer Synovialitis zeigen, dass ein Jahr nach einer kombinierten chirurgischen und radiochemischen Synovektomie die klinischen Symptome Schmerz, Schwellung, Bewegungseinschränkung deutlich gebessert waren.
Bei Patienten mit Hämophilie-Arthropathie besitzt die initiale Einschätzung der Synovialmembrandicke mittels MRT keinen Vorhersagewert für die klinische Response. Unabhängig vom Schweregrad der Synovialmembrandicke nahmen nach Radiosynoviorthese die Gelenkeinblutungen ab [39].
Menkes zeigte in einer Beobachtungsstudie [33] eine Befundbesserung bei 50–60% der behandelten Hand-, Ellenbogen- Schulter-, Sprung- oder Hüftgelenke. Einige größere Serien von Nachuntersuchungen [27, 30, 44] lassen zwar Vergleichsgruppen mit einer alternativen Behandlung und Informationen über die medikamentöse Therapie der Arthritis in der Beobachtungszeit vermissen, kommen aber mehrheitlich zu dem Ergebnis, dass selbst Jahre nach Radiosynoviorthese bei ca. 65% der behandelten Patienten ein gutes oder sehr gutes Ergebnis zu verzeichnen ist. Ein unveränderter Befund oder eine Verschlechterung nach durchschnittlich viereinhalb Jahren bestand bei 13% der behandelten Gelenke. Bei differenzierter Betrachtung der Diagnosen ergibt sich ein Vorteil für Patienten mit rheumatoider Arthritis gegenüber Patienten mit aktivierter Arthrose (Ansprechraten von 80 vs. 56%) [30]. Darüber hinaus ist der Effekt der RSO bei fortgeschrittenem Gelenkbefund (höhergradige Arthrose [47], höheres Röntgenstadium der entzündlichen Gelenkerkrankung [41, 45], längere Erkrankungsdauer [10]), aber auch bei der primären Gonarthrose [26] schlechter als beispielsweise bei Spondyloarthropathien und bei jüngeren Patienten. Die Effektivität einer Re-RSO ist geringer als die der Erstbehandlung.
So kam eine Auswertung von Radiosynoviorthesen am Handgelenk zu dem Ergebnis, dass eine Zweit-RSO nur bei 38–54% der Patienten (nach 12 bzw. 6 Monaten) zu einer Besserung führte [11]. Der Placebo-Effekt findet keine ausreichende Berücksichtigung. Eine Schmerzlinderung wurde bei 57% der mit Verum (RSO) behandelten Patienten gegenüber 38% der mit Placebo behandelten Patienten gefunden [4]. Die entsprechenden Zahlen für eine „Besserung“ liegen bei 53 bzw. 26% [46].
Eine maximale Strahlendosis wird vom Gesetzgeber explizit nur für 186-Rhenium angegeben. Pro Sitzung gilt hier eine Maximaldosis von 400 MBq, und die applizierte Jahresdosis soll 750 MBq nicht überschreiten [38]. Obwohl die Daten empirischen Ursprungs sind, wird empfohlen, diese Grenzdosen für die RSO als Summen-Grenzdosen unabhängig vom verwendeten Präparat zu verwenden.
Untersuchungsergebnisse aus dem Jahre 1975 [18, 21] zeigen Unterschiede zwischen verschiedenen 90-Yttrium-haltigen Kolloiden in ihrer Stabilität und in ihrem Abstromverhalten aus dem Gelenk. Der in regionalen Lymphknoten wiedergefundene Anteil der injizierten Aktivität war bei 90-Yttrium-Citrat 24 Stunden nach Injektion doppelt so hoch wie bei 90-Yttrium- Silikat. Chromosomenschäden an Lymphozyten traten bei Verwendung von 90- Yttrium-Citrat häufiger auf als bei 90-Yttrium- Silikat. Die Autoren empfehlen deshalb, 90-Yttrium-Silikat zu verwenden, da es länger im Kniegelenk verbleibt als andere Radiokolloide.
Dosimetrische Untersuchungen nach 169-Erbium- und 186-Rhenium-Injektion in üblicher Dosierung [32] kamen zu dem Ergebnis, dass in Folge einer 169-Erbium- Injektion keine, nach 186-Rhenium-Injektion eine geringe, allerdings 30fach niedrigere als bei Radiojod-Therapie beobachtete Zunahme von Chromosomen-Aberrationen nachweisbar ist. Die über den regionalen Lymphknoten messbare Strahlenintensität ist bei fehlender Gelenk-Immobilisation höher als bei Ruhigstellung [16].
Fehlende Immobilisation und der szintigrafische Nachweis einer hochfloriden Arthritis korrelieren mit einem größeren Abstrom des Nuklids aus dem Gelenk [23].
Die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin [9] nennen als Indikationen zur Radiosynoviorthese chronische Synovialitiden mit rezidivierenden Gelenkergüssen bei
- rheumatoider Arthritis
- seronegativer Spondyloarthropathie
- aktivierter Arthrose
- Kristallarthropathie
- villonodulärer Synovialitis
- Hämophilie mit Arthropathie
Aufgrund der oben dargestellten Datenlage wird die folgende Eingrenzung vorgeschlagen.
9. INDIKATIONEN / KONTRAINDIKATIONEN
Indikationen für die RSO mit 186-Rhenium und 90-Yttrium sind chronische Synovialitiden mittlerer und großer Gelenke mit rezidivierenden Gelenkergüssen bei
- rheumatoider Arthritis
- seronegativer Spondyloarthropathie
- pigmentierter villonodulärer Synovialitis (nach erfolgter Operation)
- Hämophilie mit Arthropathie (zur Blutungsprophylaxe)
169-Erbium wird eingesetzt für die Radiosynoviorthese kleiner Gelenke wie z.B. Metacarpophalangealgelenke (MCP), proximale Interphalangealgelenke (PIP), distale Interphalangealgelenke (DIP) und Metatarsophalangealgelenke (MTP) zur Behandlung einer chronischen Synovialitis mit rezidivierenden Gelenkergüssen bei
- rheumatoider Arthritis
- seronegativer Spondyloarthropathie
169-Erbium darf bei chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankungen nur eingesetzt werden, wenn eine vorausgehende sechsmonatige medikamentöse Therapie einschließlich intraartikulärer Steroidapplikation nicht zum Erfolg geführt hat.
Bei chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankungen wird eine drei- bis sechsmonatige systemische medikamentöse Therapie vor der RSO gefordert, wobei die RSO nicht die primäre Form der intraartikulären Therapie darstellt. Unabhängig von der zugrunde liegenden Diagnose soll mindestens eine erfolglose intraartikuläre Injektion eines kristallinen Glukokortikoids der RSO vorausgehen.
Schwangerschaft und Laktation gelten als absolute Kontraindikation, ebenso ein massiver Hämarthros wegen der Möglichkeit des Übertritts der Beta-Strahler in die Zirkulation. Über die Sicherheit der Behandlung von Kindern und Jugendlichen bzw. bei nicht abgeschlossenem Knochenwachstum liegen keine Daten vor. Wie bei jeder anderen intraartikulären Injektion ist die Behandlung nicht durchzuführen bei lokalen Infektionen in der Umgebung der Injektionsstelle. Eine rupturierte Poplitealzyste, eine Rotatorenmanschettenruptur oder sonstige Zustände, die einen unkontrollierten Abstrom des Nuklids aus dem Gelenk ermöglichen, stellen ebenfalls eine absolute Kontraindikation dar.
Mittels Arthrosonographie gelang der Nachweis, dass durch die Radiosynoviorthese eine Abnahme der Synovialisdicke von 30–40 erreicht werden kann [16]. Weiterhin nahm im Vergleich zu szintigrafischen Untersuchungen vor der Therapie die Anreicherung von 99mTc-MDP in den behandelten Gelenken nach zwei Monaten auf 52 (große Gelenke) bzw. 37 (Fingergelenke) ab. Eine Vergleichsgruppe wurde in dieser Untersuchung nicht mitgeführt.
Insgesamt ist festzustellen, dass für die Anwendung der RSO bei Patienten mit rheumatoider Arthritis und persistierender Synovialitis ausreichend Daten für die kurz- und mittelfristige Wirksamkeit vorliegen. Für die seronegativen Spondyloarthropathien sind zwar weniger umfangreiche Studien vorhanden, jedoch rechtfertigen die bisherigen Ergebnisse die Anwendung der RSO auch bei diesen Diagnosen. Mehrere kleine Beobachtungsstudien zeigen die Wirksamkeit der RSO bei der villonodulären Synovialitis und bei der Hämophilie-Arthropathie. Aufgrund der pathogenetischen Unterschiede zu den entzündlichen Gelenkerkrankungen und wegen unzureichender Datenlage kann der Einsatz der RSO bei der Arthrose nicht empfohlen werden. Eine Beschränkung auf Nuklide mit geringem Abstrom aus dem Gelenk ist aus strahlenhygienischer Sicht dringend erforderlich.
11. ZUSAMMENFASSUNG
Im Gesamtkonzept der Behandlung chronisch-entzündlicher Gelenkerkrankungen hat die intraartikuläre Therapie einen festen Platz. Die häufigste lokale Therapieform ist die Injektion eines Glukokortikoids zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung. Daneben findet die chemische oder radiologische Synoviorthese Anwendung. Das Prinzip der Radiosynoviorthese (RSO) besteht in der intraartikulären Injektion eines Radionuklids mit nachfolgender Denaturierung von oberflächlichen synovialen Strukturen. Die Präparate, Beta-Strahler mit einer Reichweite von wenigen Millimetern, werden in kolloidaler Form appliziert, um die Penetration aus dem Gelenk zu verhindern. Ziel der Behandlung ist eine Minderung der Intensität und RezidivHäufigkeit der Synovialitis.
Indikationen für die RSO sind chronische Synovialitiden mit rezidivierenden Gelenkergüssen und ausreichend stabilen Gelenkverhältnissen bei rheumatoider Arthritis (RA), seronegativer Spondyloarthropathie, villonodulärer Synovialitis (nach operativer Therapie), Hämophilie mit Arthropathie (zur Blutungsprophylaxe).
Der Stellenwert der RSO bei aktivierten Arthrosen ist nicht endgültig geklärt. Kontraindikationen für eine RSO sind Kindes- und Jugendalter mit nicht abgeschlossenem Knochenwachstum, im Vordergrund stehende Gelenkinstabilität, Schwangerschaft. Inwieweit vor einer geplanten Konzeption ein Sicherheitsabstand einzuhalten ist, ist nicht geklärt.
Schlüsselwörter
Synovialitis · Intraartikuläre Therapie · Yttrium · Rhenium · Erbium · Radiosynoviorthese
W. Seidel, Medizinische Klinik IV / Universitätsklinikum Leipzig
und die Kommission Pharmakotherapie der DGRh
Abstract
Intraarticular therapy is an established form of therapy in chronic inflammatory joint diseases. Besides the injection of glucocorticoids, radiosynoviorthesis is a frequently used procedure. Intraarticular injected beta-emitting radionuclides are indicated in chronic synovitis with recurrent joint effusions in rheumatoid arthritis, seronegative spondyloarthritis, villonodular synovitis after surgery and for bleeding prophylaxis in haemophilic arthropathy. The value of radiosynoviorthesis in activated osteoarthritis is not yet clarified.
Keywords
Synovitis · Intraarticular therapy · Yttrium · Rhenium · Erbium · Radiosynoviorthesis
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F. Balck (Hrsg.)
Anwendungsfelder der Medizinischen Psychologie
Heidelberg: Springer-Verlag 2005, 1., 216 S.
ISBN 3-540-24845-5
29.95 EUR
Das unlängst im Springer- Verlag erschienene Buch „Anwendungsfelder der Medizinischen Psychologie“, herausgegeben von dem Dresdner Medizinpsychologen Friedrich Balck, informiert auf mehr als 200 Seiten über viele Anwendungsfelder der Medizinischen Psychologie. Die Medizinische Psychologie versteht sich als Vermittler psychologischen Wissens an die Medizin. Die Inhalte dieses Buches illustrieren sehr eindrucksvoll, wie inhaltlich breit angelegt dieses Fachgebiet heute ist und welche vielfältigen und hochrelevanten Verzahnungen und Bezüge zu nahezu allen somatisch-medizinischen Disziplinen bestehen. Medizinische Psychologie wurde bislang oft vor allem als Lehrfach in der Medizinerausbildung gesehen. In diesem Buch wird die sehr wichtige Seite der praktischen Anwendung psychologischen Wissens im ärztlichen Alltag erstmals umfassend (und zumeist nach Fachgebieten gegliedert) dargestellt.
Die Themen des Bandes umfassen u. a.: Interozeptionsforschung, Intensivmedizin, Psychokardiologie, Psychoonkologie, Transplantationspsychologie, psychosomatische Dermatologie, Psychologie in der Zahnmedizin, Psychotraumatologie, ärztliche Gesprächsführung und Umgang mit Sterben, Tod und Trauern.
Neben diesen „klassischen“ Themengebieten der Medizinischen Psychologie finden sich auch Beiträge, die sich mit den neuesten Entwicklungen und Strömungen auseinandersetzen, etwa zur Telemedizin, zu chronisch kranken Kindern und Jugendlichen oder zu Neuroprothesen bei neurologischen Erkrankungen. Die meisten der Autorinnen und Autoren der einzelnen Kapitel darf man als die führenden Fachvertreter der Medizinischen Psychologie in Deutschland bezeichnen.
Sehr hervorzuheben ist, dass die meisten der Beitragenden es verstanden haben, ihr Spezialgebiet umfassend und in seinen theoretischen Hintergründen dem Stand der Wissenschaft entsprechend zu beleuchten, und dabei gleichzeitig die Anwendungsorientierung anhand zahlreicher Beispiele, Interventions- oder Präventionsansätze usw. darzustellen. Das Buch trägt seinen Namen „Anwendungsfelder“ daher zu Recht. Schade ist, dass einige für die Medizinische Psychologie sehr zentrale Themen wie die Lebensqualitätsforschung oder die Psychoneurobiologie nicht vertreten sind. Ebenfalls vermisst man die (zum Teil neu im Gegenstandskatalog verankerten) Anwendungsfelder Humangenetische Beratung, Reproduktionsmedizin und Sexualmedizin. Wenig von Nutzen ist das Sachverzeichnis des Buches, das mit Stichworten wie „Modifikation der Risikofaktoren koronarer Herzkrankheiten“ aufwartet. Und leider kommt auch ein insgesamt sehr hochwertig anmutendes und liebevoll editiertes Buch nicht ohne den einen oder anderen Tippfehler aus. Interessenten sind zum einen Medizinstudierende, die mehr über bestimmte Anwendungsgebiete erfahren wollen, als es in der Standardausbildung vorgesehen ist, zum anderen natürlich Medizinpsychologen (und auch Medizinsoziologen), die in Forschung, Lehre und Praxis tätig sind. Die Breite der behandelten Themen und die gleichzeitig umfassenden, lesenswerten und anwendungsorientierten Beiträge machen „Anwendungsfelder der medizinischen Psychologie“ aber auch für praktisch tätige Mediziner mit Interesse an psychosozialen Fragestellungen, ebenso wie für psychologische oder ärztliche Psychotherapeuten interessant, die sich mit den psychischen Folgen körperlicher Erkrankungen auseinander setzen möchten.
E. Brähler (Leipzig)