80 Jahre DGRh
Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) besteht am 24. September 2007 achtzig Jahre, ein herausragender und freudiger Anlass, zurück und nach vorne zu blicken und die Meilensteine der Entwicklung der Fachgesellschaft, ihre Ziele und Perspektiven zu beschreiben.
Die Wurzeln
Die Rheumatologie in Deutschland hat ihre Wurzeln in der Balneologie und Physiotherapie und den entsprechenden damaligen nationalen und internationalen Gesellschaften. Am 20. April 1926 wurde im slowakischen Piestany die Internationale Liga gegen Rheumatismus (ILAR) gegründet. Aus den nationalen Komitees entwickelte sich nach dem englischen Vorbild eine Initiative mit dem Ziel, an den verschiedenen Kureinrichtungen und Spezialanstalten Behandlungsmöglichkeiten für Rheumakranke zu schaffen.
Nach Vorbereitungen im Rahmen des 41. Balneologenkongresses in Aachen 1926 wurde auf der folgenden Balneologentagung in Schreiberhau in Schlesien 1927 die Deutsche Sektion der Internationalen Liga gegen Rheumatismus gegründet. Ihre Aufgaben und Ziele sollten über die Balneologie hinausreichen mit einer gemeinsamen multinationalen Forschungsstrategie im Bereich von Infektionsherden, rheumatischen Konstitutionsanomalien, Störungen der Hautzirkulation und äußeren, vor allem sozialen Bedingungen. Am 24. September 1927 wurde die Gesellschaft in das Vereinsregister des Amtsgerichts Berlin-Mitte eingetragen. Die neu gegründete Gesellschaft wuchs rasch in ihrer Mitgliederzahl, insbesondere auch hinsichtlich ihrer korporativen Mitglieder. 1928 waren es über 60 korporative Mitglieder, darunter zahlreiche Landesversicherungsanstalten, Magistrate von Städten und sogar Ministerien. Im selben Jahr wurden die „Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumabekämpfung“ gegründet.
Die führenden Persönlichkeiten, die die Entwicklung der Rheumatologie in Deutschland und ihrer Fachgesellschaft vorangebracht haben, wurden von W. Keitel und K. L. Schmidt in ihrer Schrift zum 75jährigen Bestehen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. gewürdigt. Die Entwicklung der Rheumatologie in Deutschland verdankt wesentliche Impulse der internationalen Zusammenarbeit und wichtigen Initiativen insbesondere aus Holland durch Jan van Bremen, die von vielen Persönlichkeiten aus Holland, England, Schweden und anderen europäischen und außereuropäischen Ländern nach dem zweiten Weltkrieg fortgesetzt wurde.
Die Entwicklung der Rheumatologie in Deutschland
Seit der Gründerzeit der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie hat die Rheumatologie in Deutschland einen langen Weg mit vielen Meilensteinen zurückgelegt. Rheumatologen waren die Väter der Deutschen Rheuma-Liga, die 1969 in Frankfurt gegründet wurde, und sich zur größten Patientenorganisation für Selbsthilfe in Deutschland entwickelte. Die DGRh gestaltete und begleitete die rheumatologische Fachentwicklung und die Aktivitäten der Bundesregierung mit den Rheumaberichten und den verschiedenen Forschungsförderungsinitiativen im rheumatologischen Bereich.
Teilgebiete der Rheumatologie
Nach Beschluss des Deutschen Ärztetages im Jahre 1980 wurden die Teilgebiete Rheumatologie in der Inneren Medizin und Orthopädie eingeführt, mit einem eigenen Weiterbildungscurriculum. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie hat die folgenden Novellierungen der Weiterbildungsordnung durch ihre Weiterbildungskommission aktiv mitgestalten können mit dem Ziel ein eigenständiges Fachgebiet Rheumatologie zu entwickeln nach Vorbild zahlreicher europäischer Fachgesellschaften und den Empfehlungen der UEMS. Diesem Ziel ist die Rheumatologie in Deutschland mit dem Schwerpunkt Rheumatologie in der Inneren Medizin und der Erweiterung der Weiterbildung in Inhalt und Dauer ein gutes Stück näher gekommen. Aber es bleiben auch eine Reihe wichtiger Probleme für die Zukunft. So die Umsetzung der Weiterbildungsrichtlinien von 2004 und damit verbunden die Weiterbildung einer ausreichenden Zahl von Rheumatologen. Nach Einschätzung des neuen Memorandums zur Versorgung von Rheumakranken gibt es immer noch ein deutliches Defizit fachspezifischer Versorgung von Rheumakranken in Deutschland. Hierzu zählt auch die Qualitätssicherung in der Weiterbildung und der Bereich der Kooperation mit der Orthopädie und der orthopädischen Chirurgie.
Gesellschaften in Ost und West
Von 1945 bis 1990 entwickelten sich die rheumatologischen Gesellschaften in Ost- und Westdeutschland getrennt. Leider wurde das erfolgreiche Dispensaire-System der Gesundheitsversorgung in der DDR mit einer poliklinischen rheumatologischen Versorgung bei der Wiedervereinigung nicht übernommen. 1990 haben sich beide wissenschaftlichen Gesellschaften vereinigt und in Hannover den ersten gemeinsamen Kongress durchgeführt.
1980 wurde der erste Rheumabericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung durch die damalige Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga und Bundestagsabgeordnete Dr. Hanna Neumeister in den Bundestag gebracht. Eine Reihe von Initiativen zur Verbesserung der Versorgung von Rheumakranken und zur Forschungsförderung wurden beschlossen. Es folgten weitere Berichte und Initiativen.
Für die Rheumatologie war die Forschungsförderung im Rahmen des Programms „Forschung und Entwicklung im Dienste der Gesundheit“ von 1978 mit ihrem rheumatologischen Schwerpunkt ein weiterer wichtiger Meilenstein. Projekte zur Rheumafrüherkennung und –diagnostik, zur Therapie-Entwicklung, zur wohnortnahen, kooperativen und kontinuierlichen Versorgung von Rheumakranken und zur Rehabilitation wurden von 1980 bis 1986 über das Bundesministerium für Forschung und Technologie gefördert. Das führte zur Gründung verschiedener Modellverbünde. Nach der Informationsreise einer deutschen Delegation in die USA im Rahmen eines amerikanisch-deutschen Austauschabkommens des Bundesforschungsministeriums zum Erfahrungsaustausch mit den amerikanischen „Multipurpose Arthritis Centers“ wurde von der Bundesregierung ein neues Förderprogramm zur Einrichtung regionaler, kooperativer Rheumazentren unter rheumatologischer und orthopädischer akademischer Führung initiiert. Die Etablierung von heute 28 regionalen kooperativen Rheumazentren war das Ergebnis. Das Rheumaforschungszentrum in Berlin wurde gegründet. Die Stellung der universitären Rheumatologie und die Versorgungsforschung im Bereich der Rheumatologie in Deutschland wurden gestärkt. Insbesondere die Kerndokumentation, die von den Rheumazentren und vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum in Berlin getragen wird, lieferte wichtige Daten zur Versorgung von Rheumapatienten und machte auch im internationalen Vergleich die Versorgungsdefizite in Deutschland deutlich.
Arbeitsgemeinschaften der DGRh
Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie hat 1996 den Modellverbund Regionaler Kooperativer Rheumazentren nach Auslaufen der Forschungsförderung als Arbeitsgemeinschaft mit eigenständigen Aktivitäten integriert, um die Ziele dieser Arbeitsgemeinschaft zur Verbesserung der rheumatologischen Versorgung gezielt zu unterstützen. Vielfältige Hilfen für die einzelnen regionalen Rheumazentren, insbesondere durch Informationsmaterialien für Arzt und Patient, die in den Projektgruppen erarbeitet wurden, unterstützen heute die Arbeit der ambulant und klinisch tätigen Rheumatologen. Eigene Forschungsprojekte zu versorgungsrelevanten Fragen begleiten diese Aktivitäten.
In diesem Jahr 2007 geht eine weitere Forschungsförderungsmaßnahme im rheumatologischen Bereich zu Ende. Seit 1999 wurde vom Bundesforschungsministerium das Medizinische Kompetenznetz „Entzündlich rheumatische Krankheiten“ gefördert. Die Rheumaforschung hat diese Förderung gegen kompetitive Wettbewerber erhalten. Über 7 Jahre wurde Forschung und Vernetzung in den Bereichen rheumatoide Arthritis, Spondyloarthritiden, entzündlich-rheumatische Systemerkrankungen, experimentelle Rheumatologie und Versorgungsforschung gefördert. Sie führte zur Etablierung von 6 Kompetenzzentren an den Universitäten Berlin, Düsseldorf, Erlangen-Nürnberg, Freiburg, Hannover und Lübeck und zur Bildung weiterer Forschergruppen und wissenschaftlicher Strukturen an den Universitäten. Seit 2005 ist das Kompetenznetz Rheuma in die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie als eigenständige Arbeitsgemeinschaft als Netzwerk der Rheumaforschung integriert, um die Basis der wissenschaftlichen Aktivitäten der DGRh zu verstärken.
Die Rheumatologie hat wie kaum ein anderes Fachgebiet von den Fortschritten der Molekularbiologie, Immunologie und Biologie profitiert. Neue Techniken der labormedizinischen und bildgebenden Diagnostik, insbesondere aber neue Therapieansätze aus der Molekularbiologie haben die Möglichkeiten der frühen Erkennung und Behandlung entscheidend verbessert und berechtigte Erwartungen geweckt, in Zukunft Krankheiten nicht nur gut kontrollieren sondern auch heilen zu können. Bereits heute stehen mit bewährten medikamentösen Therapien und der wachsenden Zahl von Biologica gute Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Die Umsetzung dieser Fortschritte zum Nutzen der betroffenen Patienten mit dem entsprechenden Fachwissen ist eine große Herausforderung für die Fachentwicklung aber auch für die Kooperation mit der interdisziplinären und nicht spezialisierten Patientenversorgung durch andere Fachärzte und Hausärzte.
Aufgaben und Perspektiven der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V.
Die aufgabenorientierte Strukturierung der DGRh hat in den letzten Jahren wichtige Fortschritte gemacht. Die DGRh hat Verbünde aus der Forschungsförderung im Bereich der rheumatologischen Versorgung und der klinischen und experimentellen Forschung als Arbeitsgemeinschaften integriert und verstetigt. Sie hat in Kommissionen und Arbeitskreisen unterschiedliche Schwerpunkte gezielt bearbeitet. Das Spektrum der Themen umfasst die Bereiche Forschung, studentische Ausbildung, Fort- und Weiterbildung, Patientenschulung, Pharmakotherapie, bildgebende Verfahren, Rehabilitation und Sozialmedizin, Osteologie und Leitlinienentwicklung. Die Kommissionen haben Stellungnahmen, Memoranden und Empfehlungen erarbeitet zu wichtigen Grundsatz- und Detailfragen in der Rheumatologie und zur Qualität rheumatologischer Versorgung.
In den letzten Jahren wurde es möglich, die Schwerpunkte Forschung und Aus-, Weiter- und Fortbildung intensiv auszubauen. Dies gelang durch Einrichtung und Professionalisierung einer eigenen Geschäftsstelle in Berlin und durch Gründung der Rheumatologischen Fortbildungsakademie (Rheumaakademie) unter einem Dach und in enger Kooperation mit der DGRh. Die Geschäftsstelle unter Leitung des Generalsekretärs, umfasst den kaufmännischen Geschäftsführer, die wissenschaftliche Geschäftsführerin und zurzeit zehn Mitarbeiter mit einem breiten Aufgabenfeld. Hier werden die vielfältigen Aktivitäten der DGRh, ihrer Arbeitsgemeinschaften und Kommissionen und der Rheumaakademie durchgeführt. Die Geschäftsstelle engagiert sich verstärkt für die Öffentlichkeitsarbeit, gestaltet den Internetauftritt und übernimmt zunehmend redaktionelle Aufgaben im Bereich des publizistischen Organs der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, der Zeitschrift für Rheumatologie. Die Konzentration der Aktivitäten in einer professionellen Geschäftsstelle ist Voraussetzung, um die Ziele der DGRh zu erreichen.
Zu diesen Zielen gehört vor allen Dingen der weitere Ausbau der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie zu einer Dachorganisation für die Rheumatologie in Deutschland. Was auf den Jahreskongressen der DGRh, die seit 2000 eine ständige Einrichtung sind, mehr und mehr praktiziert wird, nämlich eine enge Kooperation und gemeinsame Außendarstellung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie mit der Assoziation für orthopädische Rheumatologie und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie, soll sich in weiteren gemeinsamen Aktivitäten fortsetzen. Der Berufsverband der Rheumatologen und der Verband rheumatologischer Akutkliniken sind gemeinsame Gesellschafter in der Rheumaakademie, die das Ziel verfolgt, Kurse und Veranstaltungen für unterschiedliche Zielgruppen durchzuführen, vor allem zur Fortbildung, aber auch zur Unterstützung der Weiterbildung in verschiedenen Bereichen. Hohe Qualität unter Nutzung des Wissens und der Kompetenz in der Rheumatologie in Deutschland und Neutralität in Bezug auf fachfremde Interessen sind die Prinzipien, denen sich die Akademie verpflichtet fühlt. Als GmbH und Dienstleistungsgesellschaft an der DGRh unterstützt sie wirkungsvoll die in erster Linie ideellen Ziele der DGRh und trägt auch zur langfristigen Finanzierung des Geschäftsbetriebs bei.
Die Rheumaakademie spielt zunehmend eine Rolle in der Organisation der wissenschaftlichen Kongresse und anderer Veranstaltungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie. Das wachsende eigene Know-how in der Kongressorganisation findet ihren Niederschlag auch in der hohen Qualität der wissenschaftlichen Programme und in der wachsenden Teilnehmerzahl.
Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie ist eine wachsende Gesellschaft. Ihre Mitgliederzahl hat in den letzten Jahren stetig zugenommen und beträgt derzeit 1236 Mitglieder. Zugenommen hat auch die Zahl der korporativen Mitglieder aus der pharmazeutischen Industrie, aus der Diagnostikindustrie und anderen Bereichen. Der Arbeitskreis der korporativen Mitglieder in der DGRh mit einer eigenen Satzung wurde 2004 gegründet mit dem Ziel einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zur Förderung gemeinsamer Projekte und Vorhaben. Die korporativen Mitglieder unterstützen die Arbeit der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und der Arbeitsgemeinschaft der Regionalen Kooperativen Rheumazentren nachhaltig. Projekte der Gesellschaft wie die Kerndokumentation konnten dank dieser Unterstützung weitergeführt werden. Ziel der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie ist es, auch im Bereich der Weiter- und Fortbildung zu weiteren gemeinsamen Aktivitäten mit den korporativen Mitgliedern zu kommen, um die Fachentwicklung zu unterstützen.
Die öffentliche Wahrnehmung rheumatischer Krankheiten ist in Deutschland gering ausgeprägt, besonders im Vergleich zu Gesundheitsthemen wie Krebs oder AIDS. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie will die Öffentlichkeitsarbeit in diesem Bereich weiter intensivieren. Deshalb der neue Internetauftritt und die Öffentlichkeitskampagne zu den Frühdiagnose-Sprechstunden. In den letzten Jahren hat die wissenschaftliche Gesellschaft auch mit der größten Patientenorganisation im Bereich von Rheumakrankheiten, der Deutschen Rheuma-Liga, die Zusammenarbeit intensiviert. Die Deutsche Rheuma-Liga ist ständiges Mitglied im Beirat der wissenschaftlichen Gesellschaft und ein Vertreter der DGRh nimmt regelmäßig an den Präsidentenkonferenzen der Rheuma-Liga teil. Die wissenschaftliche Gesellschaft und die Rheumaakademie wie auch der Berufsverband haben aktiv an der Kampagne „Gute Versorgung von Anfang an“ mitgewirkt. Die DGRh ist - zusammen mit der Deutschen Rheuma-Liga - auf dem Wege, eine Rheumastiftung zu gründen, um nach dem Vorbild von Stiftungen in Großbritannien und den Niederlanden in großem Stile Förderung von Forschung, öffentlicher Wahrnehmung von Rheumakrankheiten und Selbsthilfe fördern zu können. Die Fortschritte in der Rheumaforschung und in der Therapie rheumatischer Erkrankungen in den letzten Jahren berechtigen zu der Hoffnung, dass es möglich ist, Rheuma heilbar zu machen. Dies ist das Motto der Stiftung, die auch dazu beitragen soll, dass Rheumakrankheiten und die bereits vielfältig vorhandenen Möglichkeiten zur Therapie und Hilfe besser wahrgenommen und in Anspruch genommen werden sollen.
In diesem Sinne sind die Ziele der Gründerväter der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie unverändert die Ziele der wissenschaftlichen Gesellschaft heute. Sie verpflichten die Mitglieder der Gesellschaft, durch Forschung und Wissensvermittlung die Situation von rheumakranken Menschen zu verbessern.
Prof. Dr. Andreas Radbruch Prof. Dr. Ekkehard Genth
(Präsident der DGRh) (Generalsekretär der DGRh)