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Deutsche Forschergruppen beim Einsatz innovativer Therapien des SLE weit vorne

Autoren: Prof. Dr. Christof Specker, PD Dr. Rebecca Fischer-Betz, Prof. Dr. Andreas Krause und Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops für den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V.

Der systemische Lupus erythematodes (SLE) birgt nach wie vor ein großes Risiko für lebensbedrohliche Organschäden bei vergleichsweise jungen Patientinnen. Deutsche Forschergruppen beteiligen sich schon seit Jahren an der Suche nach zielgerichteten Immuntherapien für schwere Verläufe des SLE. In neuester Zeit erweckten zwei experimentelle Therapieansätze deutscher Arbeitsgruppen weltweite Aufmerksamkeit durch Publikationen im New England Journal of Medicine (NEJM). Diese Erfolge kommen nicht von ungefähr.

Da sich die Prognose schwerer Formen des SLE oft nicht von der bösartiger hämatologischer Erkrankungen unterscheidet, war man schon vor Jahren dazu übergegangen, in besonders schweren Fällen dieser rheumatischen Erkrankung gezielte, gegen Lymphozyten gerichtete Therapien aus der Hämato-Onkologie versuchsweise einzusetzen. So wurde in Kooperation zwischen Rheumatologen und Hämatologen der Charité mit dem Deutschen Rheuma-Forschungszentrum in Berlin seit 1998 die autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation bei (zunächst) 7 Fällen eines therapierefraktären SLE eingesetzt, was teilweise zu erstaunlichen Langzeitremissionen führte (1). Später haben deutsche Rheumatologen 12 ähnlich schwer erkrankte Lupus-PatientInnen mit dem ebenfalls aus der Hämato-Onkologie stammendem Prinzip der Proteasomeninhibition behandelt. Auch hier kam es in Einzelfällen zu deutlichen und langanhaltenden Remissionen (2). Eine solche starke und anhaltende Wirkung auf das Immunsystem wurde durch eine deutliche Reduktion bzw. Ablation langlebiger Plasmazellen erreicht, welche für die Unterhaltung der chronischen Autoimmunreaktion eine besondere Bedeutung zu haben scheinen (3). Besonders anspruchsvoll, aufwändig und nicht ungefährlich sind diese Therapien aber, da sie einerseits direkte, therapieassoziierte unerwünschte Wirkungen (wie schwere Infektionen durch die ausgeprägte Immunsuppression) haben können und andererseits auch einen Verlust des „erlernten“ Schutzes des adaptiven Immunsystems nach überstandenen Infektionen oder Impfungen zur Folge haben.

Es ist nicht verwunderlich, dass bei immunologischen Systemerkrankungen auch immunologische Therapieprinzipien zum Einsatz kommen, die für Neoplasien des B-Zell- und Plasmazellsystems (Lymphome und Knochenmarkerkrankungen) entwickelt wurden und weiter werden. Dies trifft auch für die Arbeit des letzten Jahres im NEJM aus der Berliner Arbeitsgruppe um Gerd Burmester, Falk Hiepe und Tobias Alexander zu, die weltweit erstmalig den monoklonalen Antikörpers Daratumumab beim SLE eingesetzt hat (4). Dieser Antikörper führt durch Bindung an das Oberflächenmolekül CD38 zu einer Depletion von Plasmazellen und ist seit 2016 für die Behandlung des multiplen Myeloms zugelassen. Die Kollegen der Charité haben zwei Patientinnen mit therapierefraktärem Lupus (eine mit florider Lupusnephritis, eine mit Autoimmunhämolyse und -thrombocytopenie) zusätzlich zur laufenden Immunsuppression den Antikörper Daratumumab (einmal wöchentlich über 4 Wochen) verabreicht und konnten darunter deutliche klinische und serologische Verbesserungen feststellen, die sich auch im Follow-up von 12 Monaten (unter Erhaltungstherapie mit Belimumab ab dem 4. Monat) stabil zeigten. Es war bei einer Patientin zu einer (ausgeprägten) Hypogammaglobulinämie gekommen, die mittels i.v. Immunglobulinen ausgeglichen wurde, so dass es unter gutem „Immunomonitoring“ zu keinen ernsten Komplikationen kam.

In einer in diesem Jahr erschienenen Publikation der Erlanger Arbeitsgruppe um Georg Schett, Bernhard Manger und Gerhard Krönke wurden weltweit erstmals sog. Chimäre Antigenrezeptor-T (CAR-T)- Zellen zur Therapie des SLE eingesetzt (5). Bei der CAR-T-Zell-Therapie werden körpereigene T-Zellen ex-vivo gentechnisch so verändert, dass sie ein definiertes Antigen, in diesem Fall CD19 auf B-Zell-Oberflächen, erkennen und damit nach intravenöser Gabe in den Patienten zur Lyse CD19 positiver B- und Plasmazellen führen. Da es sich bei den CAR-T-Zellen um körpereigene Zellen handelt, vermehren sich diese Zellklone in vivo, was sie zu einer hoch-wirksamen Behandlung von zuvor refraktären CD19-positiven B-Zell-Neoplasien machte. Dieses sehr spezielle Therapieverfahren wurde daraufhin für bestimmte Fälle solcher Neoplasien zugelassen und wird aufgrund des hohen Aufwandes und nicht unerheblicher immunologischer „Nebenwirkungen“ bislang nur an ausgesuchten universitären hämatologischen Zentren durchgeführt.

Die Erlanger Kollegen haben nun mit den dortigen Hämatologen solche CD19-modifizierte CAR-T-Zellen erstmals bei einer 20-jährigen Patientin mit schwerem therapierefraktären SLE eingesetzt. Nach Leukapherese zur Gewinnung der T-Zellen und vorbereitender Lymphozytendepletion mittels Fludarabin und Cyclophosphamid wurden die dann zur CD19-Erkennung modifizierten CAR-T-Zellen der Patientin wieder verabreicht. Nach der Infusion nahm der Anteil der CAR-T-Zellen von 0,31% aller peripheren T-Zellen am Tag 3 auf 27,69% am Tag 9 zu, um dann wieder langsam abzufallen. Bis 7 Wochen nach der Gabe waren aber noch CAR-T-Zellen nachweisbar. Dieser Expansion der CAR-T-Zellen folgte eine vollständige und anhaltende Depletion zirkulierender B-Zellen und es kam innerhalb weniger Wochen zu einem Abfall der dsDNS-Antikörper, Normalisierung der Complementfaktoren und einer klinischen Remission mit einem Rückgang der Proteinurie (uPCR) von über 2 auf unter 0,25. Unerwünschte Effekte hämatologischer CAR-T-Zelltherapien wie Notwendigkeit von Immunglobulinsubstitution bei zu starkem IgG-Abfall, Zytokinfreisetzungssyndrom, neurotoxische Nebenwirkungen oder verlängerte Zytopenien traten bei der behandelten SLE-Patientin nicht auf.

Auch wenn diese neuen Therapieansätze vielversprechend und immunologisch hoch-innovativ sind, muss man sich vor Augen halten, dass es sich um spezielle Einzelfälle handelt und eine gründliche Prüfung dieser Therapien noch aussteht. Von einer „Heilung“ des SLE, wie in Pressemeldungen zu lesen (6), kann und sollte man aber nicht sprechen. Es schürt Hoffnungen, von denen man noch gar nicht sagen kann, wie begründet sie sind, und die Sorge von Betroffenen, so eine spezielle Therapie auf absehbare Zeit noch gar nicht erhalten zu können, kann auch zur Verunsicherung im Hinblick auf etablierte Therapien führen. Es müssen weitere, größere Studien und Langzeitergebnisse dieser Therapien abgewartet werden, bevor man an einen breiten Einsatz dieser neuen Behandlungen beim SLE denken kann. Erfreulich zu sehen aus Sicht der DGRh ist aber auf jeden Fall jetzt schon, dass deutsche Rheumatologen auch auf dem Gebiet neuer Immuntherapien für den SLE wissenschaftlich weit vorne agieren.

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1 Alexander T, Thiel A, Rosen O, Massenkeil G, Sattler A, Kohler S, Mei H, Radtke H, Gromnica-Ihle E, Burmester GR, Arnold R, Radbruch A, Hiepe F. Depletion of autoreactive immunologic memory followed by autologous hematopoietic stem cell transplantation in patients with refractory SLE induces long-term remission through de novo generation of a juvenile and tolerant immune system. Blood. 2009 Jan 1;113(1):214-23. doi: 10.1182/blood-2008-07-168286. Epub 2008 Sep 29. PMID: 18824594..

2 Alexander T, Sarfert R, Klotsche J, Kühl AA, Rubbert-Roth A, Lorenz HM, Rech J, Hoyer BF, Cheng Q, Waka A, Taddeo A, Wiesener M, Schett G, Burmester GR, Radbruch A, Hiepe F, Voll RE. The proteasome inhibitior bortezomib depletes plasma cells and ameliorates clinical manifestations of refractory systemic lupus erythematosus. Ann Rheum Dis. 2015 Jul;74(7):1474-8. doi: 10.1136/annrheumdis-2014-206016. Epub 2015 Feb 20. PubMed PMID: 25710470; PubMed Central PMCID: PMC4484251.

3 Alexander T, Schneider S, Hoyer B, Cheng Q, Thiel A, Ziemer S, Burmester GR, Arnold R, Radbruch A, Hiepe F. Development and resolution of secondary autoimmunity after autologous haematopoietic stem cell transplantation for systemic lupus erythematosus: competition of plasma cells for survival niches? Ann Rheum Dis. 2013 Jun;72(6):1102-4. doi: 10.1136/annrheumdis-2012-202729. Epub 2013 Jan 29. PMID: 23361083.

4 Ostendorf L, Burns M, Durek P, Heinz GA, Heinrich F, Garantziotis P, Enghard P, Richter U, Biesen R, Schneider U, Knebel F, Burmester G, Radbruch A, Mei HE, Mashreghi MF, Hiepe F, Alexander T. Targeting CD38 with Daratumumab in Refractory Systemic Lupus Erythematosus. N Engl J Med. 2020 Sep 17;383(12):1149-1155. doi: 10.1056/NEJMoa2023325. PMID: 32937047.

5 Mougiakakos D, Krönke G, Völkl S, Kretschmann S, Aigner M, Kharboutli S, Böltz S, Manger B, Mackensen A, Schett G. CD19-Targeted CAR T Cells in Refractory Systemic Lupus Erythematosus. N Engl J Med. 2021 Aug 5;385(6):567-569. doi: 10.1056/NEJMc2107725. PMID: 34347960.

6 https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-gesundheit-uniklinik-erlangen-autoimmunkrankheit-therapie-1.5375216. Süddeutsche Zeitung online am 6. August 2021, letzter Abruf am 20.August 2021