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1. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) und des Verbandes Rheumatologischer Akutkliniken (VRA) zur Reform der Krankenhausvergütung

17.04.2023

1. Präambel

Die Rheumatologie ist als Querschnittfach mit vielfältigen Schnittstellen zu anderen Fachgebieten der Inneren Medizin und zu Neurologie, Dermatologie, Orthopädie gekennzeichnet durch ihre nicht organbezogene Spezialisierung auf rheumatische, vor allem entzündlich-rheumatische und immunologische Systemerkrankungen. Dieses Fachgebiet weist einen geringen (proprietären) Technisierungsgrad auf (Labordiagnostik und Bildgebung werden weitgehend von anderen Fachgebieten abgedeckt) und ist ein durch Expertenwissen hinsichtlich Diagnostik und Therapie („denkendes und sprechendes Fach“) geprägter Schwerpunkt der Inneren Medizin mit inzwischen hoch-selektiven immunologischen Therapieverfahren. Obwohl die Prävalenz und die volkswirtschaftliche Bedeutung ob der Krankheitslast rheumatischer Erkrankungen groß sind, ist die Rheumatologie in Deutschland ein vergleichsweise kleines Fachgebiet der Inneren Medizin, was sich unter anderem aus der geringen Repräsentanz der Rheumatologie an den bundesdeutschen medizinischen Fakultäten erklärt. Dies hat auch einen substantiellen Mangel an rheumatologischen Ärztinnen und Ärzten in Klinik und Praxis zur Folge, wie er unter anderem in der Bedarfsplanung des G-BA festgestellt wurde.

Die Rheumatologie weist historisch und strukturell bereits jetzt einen sehr hohen Anteil ambulanter Behandlungen auf, der nur durch Beteiligung nahezu aller vorhandenen klinischen Einrichtungen an der ambulanten Versorgung möglich wurde. Der Anteil rheumatologischer Fachabteilungen ist in Akutkliniken im Vergleich zu anderen Fachgebieten dennoch sehr gering, bezogen hierauf weist die Rheumatologie einen hohen Anteil an rheumatologischen Fachkliniken auf. Insgesamt ist aber auch die akutstationäre Versorgung am unteren Rande des benötigten Bedarfs. Die fallbezogene Vergütung für stationäre Leistungen hat, unter anderem auch aufgrund der geringen proprietären Technisierung zu einem weiteren Abbau von Krankenhausabteilungen geführt. Lediglich die rheumatologische Komplexbehandlung, welche aufgrund struktureller Anforderungen hierfür fast nur von Fachkliniken angeboten werden kann, stellt für Krankenhausträger einen substantiellen Anreiz für die Vorhaltung rheumatologischer Klinikabteilungen dar. Die Fachgesellschaft DGRh und der Verband VRA erhoffen sich von der geplanten Reform der Krankenhausvergütung eine Verbesserung einer unseres Erachtens unbefriedigenden akutstationären und universitären Versorgungssituation für Rheumakranke in Deutschland, was sich ohne Korrekturmechanismen allein schon aufgrund des demographischen Wandels in Zukunft noch verschärfen wird. Die deutsche Rheumatologie sieht ihre Situation in diesem Szenario als derart besonders an, dass sie sich nicht allein auf allgemein gültige Strategien anderer und größerer Fachgebiete verlassen kann. Neben der konstruktiven Mitarbeit an gemeinsamen Anstrengungen der Fachgesellschaften, z. B. in der AWMF, wird die DGRh und der VRA versuchen, die speziellen Belange und Bedürfnisse der Rheumatologie im Rahmen der Krankenhausreform zu bearbeiten.

2. Versorgungsmatrix für die akutstationäre Rheumatologie

Die Regierungskommission „Krankenhausfinanzierung“ hat den Fachbereich Rheumatologie in der stationären Versorgungsmatrix den Leveln 2 und 3 zugeordnet. Qualitätskriterien und Mindestvoraussetzungen für die Leistungsgruppe 6.1 „Komplexe Rheumatologie“ im Krankenhaus-Plan NRW sind in 1 wiedergegeben.

Mit Gründung des Verbandes der Rheumatologischen Akutkliniken (VRA) war gemäß Satzung ein wichtiges Ziel dieses Trägerverbandes die Implementierung von Qualitätssicherungsmaßnahmen in den akutstationären Einrichtungen. Erstmals wurden 2001 fünf Richtlinien zur Strukturqualität verabschiedet und 2002 publiziert [i].Eine Neufassung der Strukturqualität der akutstationären Rheumatologie wurde 2010 vorgenommen und hierbei in neun Richtlinien (2) unterteilt [ii].Auf dieser Basis entwickelten die über 50 Mitgliedskliniken die jeweiligen Versorgungsstrukturen und schufen so die Voraussetzung für einen vergleichbaren sachgerechten Ressourceneinsatz im fallpauschalierten Entgeltsystem. Darüber hinaus schufen diese Strukturkriterien eine gute Voraussetzung für die Durchführung des seit 2003 umgesetzten Qualitätsprojektes obra [iii] (seit 2007 KOBRA) für die daran zu ca. 50 % teilnehmenden VRA Mitgliedskliniken [iv]. Schließlich fanden die 2011 publizierten Strukturkriterien auch Eingang in die Qualitätsanforderungen der G-BA Regelungen zu Rheumatologischen Zentren im Unterpunkt „Strukturelle Anforderungen“ [v]:

G-BA 1a Tab. 3 entspricht Punkt 2. Tab. 2

G-BA 1c Tab.3 entspricht Punkt 4. Tab2

G-BA  2/1 u. 2 Tab. 3 in Anlehnung an Punkt 5 Tab. 2

Anhand der Bewertung durch die DGRh und den VRA stellen die 2011 publizierten Strukturkriterien (2) eine gute Basis für die Festlegung von strukturellen Mindestkriterien für Level 2-Einrichtungen dar [2]. Die Mindestkriterien für rheumatologische Level 3-Krankenhausabteilungen könnten den G-BA-Regelungen für Rheumatologische Zenten entnommen werden (3) [s. BAnz AT 12.03.2020 B2; oder: www.g-ba.de/richtlinien/117].

Die Strukturkriterien von 2011 [2] stellen seit 2018 für die am KOBRA-Qualitätsprojekt teilnehmenden Kliniken ein Mindestkriterium dar für die Erfüllung des KOBRA-Qualitätslabels, was alle 2 Jahre nach jeweils erfolgreicher Teilnahme durch das aQua-Institut gemeinsam mit dem VRA vergeben wird [4]. Das KOBRA-Projekt beinhaltet neben der Erfassung der Strukturqualität auch die Messung von Prozess- und Ergebnisqualität und ist damit sehr geeignet zum Beispiel auch im Rahmen von Rheumatologischen Zentren nach G-BA-Regeln hier die Qualitätsmessung zu ermöglichen [5].

i Lakomek HJ, Neeck G, Lang B, Jung J. Strukturqualität akut-internistischer rheumatologischer Kliniken--Projektgruppenarbeit des VRA. Z Rheumatol. 2002 Aug;61(4):405-14. doi: 10.1007/s00393-002-0429-z. PMID: 12426846.

ii Lakomek HJ, Braun J, Gromnica-Ihle E, Fiehn C, Claus S, Specker C, Jung J, Krause A, Lorenz HM, Robbers J. Neufassung der Strukturqualität der akut-stationären Rheumatologie. Ein zukunftsweisendes Projekt. Z Rheumatol. 2011 Sep;70(7):615-9. doi: 10.1007/s00393-011-0841-3. PMID: 21858486.

iii Roeder N, Lakomek HJ. Outcome Benchmarking in der rheumatologischen Akutversorgung (obra)" - Projekt des Verbandes Rheumatologischer Akutkliniken (VRA e.V.). Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes. 2011;105(5):343-9. doi: 10.1016/j.zefq.2011.05.013. PMID: 21767791.

iv Lakomek HJ, Rudwaleit M, Hentschel A, Broge B, Abrolat J, Bessler F, Hellmich B, Klemann A, Krause A, Klass M, Strunk J, Fiori W, Roeder N, Braun J. Qualität in der akutstationären Rheumatologie 2021: Aktuelle Aspekte zum KOBRA-Qualitätslabel des Verbandes Rheumatologischer Akutkliniken (VRA e.V.). Z Rheumatol. 2021 Oct;80(8):758-770. doi: 10.1007/s00393-021-01015-1. PMID: 33999267; PMCID: PMC8127451.

v Lakomek HJ, Fiori W. Rheumatologische Zentren entsprechend den Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses. Z Rheumatol. 2022, Sep 28. doi: 10.1007/s00393-022-01270-w. PMID: 36169704.

Die akutstationäre Versorgung von Menschen mit Rheuma ist sowohl in Bezug auf die Diagnosen als auch die Versorgungsstrukturen sehr vielschichtig. In einer Datenabfrage (Stand 08.03.2022) der strukturierten Qualitätsberichte 2020 wurde zum Beispiel überprüft, in wie weit durch die Versorgung von 100 oder mehr Fällen mit einer Hauptdiagnose aus M30-M36 gegenüber von 100 oder mehr Fällen mit einer OPS für eine rheumatologische Komplexbehandlung (8-983 oder 8-986) pro Jahr eine unterschiedliche Spezialisierung von Rheumatologischen Akutkliniken zu erkennen ist (5). Die mit der Datenanalyse anhand der oben genannten Suchkriterien erfassten 102 Organisationseinheiten (OE) verteilen sich auf 84 Krankenhäuser mit einem Schwerpunkt in der Versorgung von Menschen mit Systemkrankheiten des Bindegewebes und 18 Krankenhäuser mit einem Schwerpunkt in der Durchführung der Rheumatologischen Komplexbehandlung. Nur 8 OE versorgten Patienten in beiden untersuchten Gruppierungen (Abbildung 1, [5]).

Abbildung 1: Unterschiedliche Spezialisierungen in der akutstationären Rheumatologie (aus [5])

Im Krankenhausplan NRW 2022 wurde bisher für die akutstationäre Rheumatologie nur eine Leistungsgruppe mit dem Titel „Komplexe Rheumatologie“ (LG 6.1) aufgeführt. Aufgrund der oben genannten Auswertung (Abbildung 1) sollte erwogen werden, eine zweite Leistungsgruppe einzurichten, wie dieses in der Schweiz im „Spitalplanung-Leistungsgruppenkonzept für die Akutsomatik“ erfolgt ist (RHE1: „Rheumatologie“ Version 2023.1.12 und RHE2: „Interdisziplinäre Rheumatologie“ Version 2023.1.12). Die Differenzierung beider Versionen erfolgt in der Schweiz über die Zuordnung unterschiedlicher OPS-Kodes und ICD-10 GM Diagnosen.

3. Positionierung der akutstationären Rheumatologie in der geplanten Krankenhausreform

Im Rahmen der Krankenhausreform wurde die akutstationäre Rheumatologie den Level 2 und Level 3 Krankenhäusern zugeordnet. Die Ausgestaltung hinsichtlich der Mindestkriterien einer Fachabteilungsstruktur wird in 4 beschrieben, welche strukturelle Angaben eines möglichen rheumatologischen Rahmenkonzeptes gegenüber der AWMF widerspiegelt.

Bei einer beschriebenen jährlichen stationären Fallzahl von mehr als 500 sieht die DGRh und der VRA gute Voraussetzungen, auch die universitäre Rheumatologie in Deutschland in den 38 medizinischen Fakultäten breiter aufzustellen, was nicht nur die Versorgungssituation für Menschen mit Rheuma in Deutschland, sondern insbesondere auch die Weiterbildungssituation in der Rheumatologie nachhaltig unterstützen würde.

Die Leistungsgruppe Rheumatologie (LG 6.1, komplexe Rheumatologie) ist im Krankenhausplan NRW 2022 wie oben dargestellt (1) bereits beschrieben. Unter Kenntnis der Komplexität rheumatologischer Erkrankungen sollte das Schweizer Modell (s.o.) mit Berücksichtigung von zwei rheumatologischen Leistungsgruppen für Deutschland übernommen werden.

Tabelle 4: Beantwortung des AWMF-Surveys

Literatur

1 Lakomek HJ, Neeck G, Lang B, Jung J. Strukturqualität akut-internistischer rheumatologischer Kliniken--Pro-jektgruppenarbeit des VRA. Z Rheumatol. 2002 Aug;61(4):405-14. doi: 10.1007/s00393-002-0429-z. PMID: 12426846. 

2 Lakomek HJ, Braun J, Gromnica-Ihle E, Fiehn C, Claus S, Specker C, Jung J, Krause A, Lorenz HM, Robbers J. Neufassung der Strukturqualität der akut-stationären Rheumatologie. Ein zukunftsweisendes Projekt. Z Rheumatol. 2011 Sep;70(7):615-9. doi: 10.1007/s00393-011-0841-3. PMID: 21858486. 

3 Roeder N, Lakomek HJ. Outcome Benchmarking in der rheumatologischen Akutversorgung (obra)" - Projekt des Verbandes Rheumatologischer Akutkliniken (VRA e.V.). Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes. 2011;105(5):343-9. doi: 10.1016/j.zefq.2011.05.013. PMID: 21767791. 

4 Lakomek HJ, Rudwaleit M, Hentschel A, Broge B, Abrolat J, Bessler F, Hellmich B, Klemann A, Krause A, Klass M, Strunk J, Fiori W, Roeder N, Braun J. Qualität in der akutstationären Rheumatologie 2021: Aktuelle As-pekte zum KOBRA-Qualitätslabel des Verbandes Rheumatologischer Akutkliniken (VRA e.V.). Z Rheumatol. 2021 Oct;80(8):758-770. doi: 10.1007/s00393-021-01015-1. PMID: 33999267; PMCID: PMC8127451. 

5 Lakomek HJ, Fiori W. Rheumatologische Zentren entsprechend den Regelungen des Gemeinsamen Bundes-ausschusses. Z Rheumatol. 2022, Sep 28. doi: 10.1007/s00393-022-01270-w. PMID: 36169704.  

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