Fortschritte beim Sjögren-Syndrom:
Erwerbstätig trotz „Rheuma“ der Speichel- und Tränendrüsen
Berlin, Juli 2019
Menschen mit dem sogenannten Sjögren-Syndrom, einer seltenen entzündlich-rheumatischen Erkrankung, sind heute seltener erwerbsunfähig als noch vor zwei Jahrzehnten. Diesen Erfolg berichtet die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) von einer aktuellen Auswertung der bundesweiten Erwachsenen-Kerndokumentation des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums (DRFZ).
Beim Sjögren-Syndrom handelt es sich um eine entzündlich-rheumatische Autoimmunerkrankung: Die körpereigene Abwehr greift exokrine Drüsen an und ruft Entzündungsprozesse hervor. Die Betroffenen leiden vorrangig unter trockenen und brennenden Augen und einer trockenen Mundschleimhaut. Seltener sind auch Schleimhäute des Rachens, Kehlkopfes und der Vagina betroffen, manchmal kommt es auch zu trockener Haut. Mindestens 0,2 Prozent der Erwachsenen sind am Sjögren-Syndrom erkrankt. „Wie viele Menschen es in Deutschland insgesamt betrifft, ist leider nicht genau bekannt, wir gehen von deutlich mehr aus“, erläutert der Präsident der DGRh, Professor Dr. med. Hendrik Schulze-Koops aus München. Betroffen sind zu über 90 Prozent Frauen, die meist im Alter von Mitte 40 erkranken und ihr Leben lang unter den Folgen zu leiden haben. „Allerdings ist natürlich nicht jede Sicca-Symptomatik – also trockene Augen – auf das Sjögren-Syndrom zurückzuführen. Das Wesen des Sjögren-Syndroms ist die Entzündung der Speicheldrüsen.“
Wie andere entzündlich-rheumatische Erkrankungen hat das Sjögren-Syndrom Auswirkungen auf den gesamten Körper. „Vor allem können Gelenke und Nerven, daneben auch Lunge und Nieren in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch die Entstehung von bösartigen Lymphomen, also Krebs des Lymphsystems, wird mit dem Sjögren-Syndrom in Verbindung gebracht“, erläutert Professor Schulze-Koops: „Darüber hinaus belastet die Erkrankung die Psyche. Viele Patienten leiden unter Erschöpfungszuständen bis hin zu Depressionen.“
„Wir haben in der Vergangenheit beobachtet, dass die Patienten häufig krankgeschrieben waren oder ganz aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind“, ergänzt Dr. rer. medic. Johanna Callhoff vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ) in Berlin. Hier ist es in den letzten beiden Jahrzehnten zu einer Trendwende gekommen, wie die Epidemiologin in einer aktuellen Auswertung der „Erwachsenen-Kerndokumentation“ des DRFZ zeigt. An dieser beteiligen sich Rheumazentren aus ganz Deutschland, mit dem Ziel die medizinische Versorgungsleistung von Rheumapatienten zu beschreiben und zu analysieren. Die zeitliche Entwicklung der Versorgung und ihr Zusammenhang mit der gesundheitlichen Situation der Patienten lassen sich so ermitteln.
Die Wahrnehmung der Erkrankung hat sich verändert, sodass heute ein Sjögren-Syndrom früher erkannt wird. Wir versuchen dann frühzeitig immunsuppressiv zu behandeln, mit Medikamenten wie beispielsweise Hydroxychloroquin
Laut den aktuell in „Clinical and Experimental Rheumatology“ veröffentlichten Zahlen der Erwachsenen-Kerndokumentation waren im Jahr 2016 insgesamt 64 Prozent der Patienten berufstätig, bei den unter 50-Jährigen lag der Anteil sogar bei 87 Prozent. „Im Jahr 1996 waren es nur 43 beziehungsweise 44 Prozent“, berichtet Dr. Callhoff. „Der Anteil der Patienten, die vorzeitig in den Ruhestand gingen, ist sogar von 22 auf 10 Prozent gefallen.“ Statt 39 Prozent im Jahr 1996 waren 2016 nur 27 Prozent der Patienten wenigstens einmal im Jahr krankgeschrieben. Im Krankenhaus mussten nur 7 statt 13 Prozent der Patienten behandelt werden.
Die Beschäftigungsrate ist auch bei anderen rheumatischen Erkrankungen gestiegen: „Wir führen dies bei den anderen rheumatischen Erkrankungen auf die frühzeitige Behandlung und vor allem auf den Einsatz von Antikörpern und anderen Biologika zurück, die die fortschreitende Zerstörung der Gelenke aufhalten“, erklärt Professor Schulze-Koops, Leiter der Rheumaeinheit an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Beim Sjögren-Syndrom kommen die Biologika jedoch selten zum Einsatz. Laut der Kerndokumentation sind es gerade einmal 4,3 Prozent. Zugenommen hat dagegen die Verordnung von Hydroxychloroquin (HCQ). „Das Mittel wurde ursprünglich zur Vorbeugung und Behandlung der Malaria eingesetzt“, erläutert Professor Schulze-Koops. Später sei entdeckt worden, dass es auch bei rheumatischen Erkrankungen wirkt. Beim Sjögren-Syndrom bessert es häufig die Abgeschlagenheit, unter der viele Patienten leiden. Der Anteil der Sjögren-Patienten, die mit Malariamitteln behandelt werden, ist von 31 auf 50 Prozent gestiegen.
93 Prozent der Erkrankungen verlaufen heute milder, gegenüber 62 Prozent vor zwei Jahrzehnten. „Die Wahrnehmung der Erkrankung hat sich verändert, sodass heute ein Sjögren-Syndrom früher erkannt wird. Wir versuchen dann frühzeitig immunsuppressiv zu behandeln, mit Medikamenten wie beispielsweise Hydroxychloroquin (HCQ). Die Kombination mit anderen Basistherapeutika, wie Leflunomid oder Cyclosporin, wird zurzeit in Studien getestet.“ In der Behandlung lernen die Patienten auch, wie sie mit Augentropfen und Speichelersatz anhaltende Symptome lindern.
- Bei Abdruck Beleg erbeten.-
Literatur:
J. Callhoff, K. Thiele, T. Dörner, A. Zink, J.G. Richter, J. Henes, K. Albrecht, Trends in employment and hospitalisation in patients with Sjögren’s syndrome 1996-2016: results from the German National database, Clin Exp Rheumatol 2019; 37 (Suppl. 118): S00-S00.
https://www.clinexprheumatol.org/article.asp?a=13940