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Aktuelle Handlungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. für die Betreuung von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen während der SARS-CoV-2/Covid 19-Pandemie

30.03.2020

Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) will mit diesen Empfehlungen Hilfestellung für spezielle Belange in der Betreuung von Rheumapatienten angesichts der aktuellen Bedrohung durch das severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2) geben.

Bisher gibt es für Handlungsempfehlungen bei der Betreuung und Behandlung von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen in Verbindung mit der SARS-CoV-2/Covid-19-Pandemie keine evidenzbasierten Daten. Dies betrifft insbesondere die speziellen Auswirkungen der Infektion auf Rheumakranke sowie den Einfluss der immunsuppressiven oder immunmodulierenden Antirheumatika auf die Infektion. Die nachfolgenden Empfehlungen fußen dementsprechend auf einem von der DGRh erstellten Expertenkonsensus. Er stützt sich auf Analogien zum Vorgehen bei anderen, länger bekannten Virusinfektionen, auf theoretische Überlegungen und auf bisher bekannten Daten und Fakten zur SARS-CoV-2-Infektion. Es versteht sich, dass in jedem Einzelfall ein Abweichen von diesen Empfehlungen sinnvoll sein kann. Außerdem sollten die Fakten zur weiteren Entwicklung der Infektion sowie neue therapeutische Entwicklungen aufmerksam verfolgt werden, da sich hieraus stets Änderungen dieser Konsensusempfehlungen ergeben können.

 

1. Vermeidung von Infektionen

  • Es gelten die vom Robert Koch-Institut für die Allgemeinbevölkerung und für speziell gefährdete Personen beschriebenen und täglich aktualisierten Maßnahmen.

  • Patienten mit rheumatischen Erkrankungen haben unter bestimmten Bedingungen ein erhöhtes Infektionsrisiko (Tabelle 1). Ob dies auch für SARS-CoV-2-Infektionen gilt, ist nicht bekannt. Ob eine COVID-19-Erkrankung bei Patienten mit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung schwerer verläuft als bei nicht rheumatisch erkrankten Personen ist ebenso wenig bekannt wie die Antwort auf die Frage, ob die medikamentöse Immunsuppression ein zusätzliches Risiko für einen schweren Verlauf darstellt. Patienten mit rheumatischen Erkrankungen sollten daher Empfehlungen zur Kontaktvermeidung konsequent befolgen. Hierzu gehört auch, mit dem Arbeitgeber zu besprechen, inwieweit eine Kontaktvermeidung am Arbeitsplatz umsetzbar ist. Patienten können Atteste ausgestellt werden, dass sie eine immunsuppressive/ immunmodulierende Therapie erhalten, mit dem sie sich an Betriebsärzte / Amtsärzte / Arbeitgeber wenden können.

  • Kontakte zwischen SARS-CoV-2 Infizierten und Rheumatologen, beziehungsweise zwischen Infizierten und rheumatologischen Versorgungseinrichtungen sollten vermieden werden, bis die Infektion abgeklungen ist (in der Regel > 14 Tage nach Symptomende).

  • Notwendige Kontrollen zur Therapie- und Krankheitsüberwachung sollten zwar sichergestellt sein, im Einzelfall muss aber zwischen dem Risiko durch (Haus-) Arztbesuche und dem Risiko durch fehlende Kontrollen abgewogen werden. So können bei Patienten in stabiler Krankheitseinstellung und mit bereits länger laufender Therapie vorübergehend längere Kontrollintervalle zur Vermeidung von Kontakten erwogen werden.

Die Behandlung der SARS-CoV-2-Infektion selbst sollte durch den Hausarzt (milde Fälle), einen Infektiologen, einen Pneumologen oder gegebenenfalls einen Intensivmediziner (schwere Fälle) gesteuert werden, wobei der Rheumatologe beratend verfügbar sein sollte.



2. Medikamentöse anti-rheumatische Therapie im Kontext der aktuellen COVID-19-Pandemie

Ein generelles Pausieren oder eine generelle Reduktion der Immunsuppression wird nicht empfohlen, da die Pandemie voraussichtlich länger andauern wird und immunsupprimierte Patienten im Falle einer Therapiereduktion oder eines Aussetzens der Immunsuppression einem erhöhten Risiko von Rezidiven ausgesetzt wären. Ein solches Rezidiv beziehungsweise ein Schub der rheumatischen Grunderkrankung erhöht zum einen das Infektionsrisiko (siehe Tabelle 1). Zum anderen zieht diese Destabilisierung die Notwendigkeit nach sich, die immunsuppressive Therapie wieder (und möglicherweise über das ursprüngliche Maß hinaus) zu intensivieren.

Immunsuppressive Therapien zur Remissionsinduktion (z.B. bei Vaskulitiden u.a.) sollten nicht verzögert oder unterdosiert werden, wobei etablierte Therapieregime mit geringeren Glucocorticoid (GC)-Dosen bevorzugt werden sollten.

Hydroxychloroquin (HCQ) sollte nicht abgesetzt werden, da dies eher nützlich als schädlich bei einer COVID-19-Infektion sein könnte.


Es werden folgende spezielle Empfehlungen gegeben:

2.1 Patienten ohne Infektzeichen

  • Zum Remissionserhalt eingesetzte Immunsuppressive und/oder DMARD-Therapien sollten nicht allein aus Furcht vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 beendet oder dosisreduziert werden. Dosisreduktionen von GC können im Einzelfall bei anhaltend stabiler Einstellung aber erwogen werden.

  • Die Dosierungen der Immunsuppressiva beziehungsweise DMARDs sollten wie üblich sorgfältig überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Dies betrifft auch die in den Fachinformationen empfohlene Dosisanpassungen, zum Beispiel bei Leukopenie.

2.2 Patienten mit COVID-19 Kontakt, aber ohne Infektzeichen

  • Fortführen der Therapie wie unter Punkt 2.1 beschrieben.

2.3 Patienten mit COVID-19 Kontakt und Symptomen eines Infektes

  • Es sollte ein Abstrich auf SARS-CoV-2 erfolgen.

  • Bei leichten Symptomen und ohne Fieber keine Therapieänderung.

  • Bei deutlichen Infektzeichen und insbesondere Fieber (>38°C) Pausieren der anti-rheumatischen Medikation.

  • Eine etwaige GC-Dauertherapie sollte in gleicher Dosis fortgesetzt werden.

2.4 Patienten positiv auf SARS-CoV-2 getestet aber ohne Infektzeichen

  • Ein Pausieren oder Herauszögern einer ts- oder bDMARD-Therapie für die Dauer der mittleren Inkubationszeit sollte erwogen werden. Da häufig nicht bekannt ist, wann eine Infektion erfolgt ist, sollte eine Pause für 5 bis 6 Tage nach Abstrich erwogen werden.

  • Eine etwaige GC-Dauertherapie sollte in gleicher Dosis fortgesetzt werden.

  • csDMARDs sollten nicht abgesetzt werden.

2.5 Patienten positiv auf SARS-CoV-2 getestet mit Symptomen

  • Pausieren der antirheumatischen Medikation.

  • Eine etwaige GC-Dauertherapie sollte in gleicher Dosis fortgesetzt werden.

  • Bei Einnahme von Leflunomid muss wegen der langen Halbwertszeit der Substanz in Fällen, in denen man sich für Pausieren der DMARD-Therapie entscheidet, zusätzlich ein Auswaschen erfolgen.

 

3. Supportive Maßnahmen (alle Patientengruppen)

  • Entsprechend den Empfehlungen der STIKO sollte der Impfstatus aktualisiert werden (Schwerpunkt Pneumokokken, Influenza).

  • Eine PjP-Prophylaxe sollte bei entsprechender Indikation (v.a. CYC, GC >15mg Prednisolonäquivalent) durchgeführt werden.



Tabelle 1: Wichtige grundsätzliche Risikofaktoren für eine Infektion bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen

  • Höheres Lebensalter

  • Multimorbidität, insbesondere vorbestehende Lungenerkrankung, Diabetes mellitus

  • Anamnese früherer schwerer Infektionen (z.B. Sepsis)

  • Dauertherapie mit Glucocorticoiden, insbesondere ab 5 mg/Tag (Risiko nimmt mit der Dauerdosis zu)

  • Therapie mit DMARDs und anderen Immunsuppressiva (Ausnahmen: Hydroxychloroquin, Sulfasalazin)

  • Hohe Aktivität der rheumatischen Grunderkrankung

  • Aktuelle oder weniger als 8 Wochen zurückliegende Cyclophosphamid-Therapie

  • Erworbene und angeborene Immundefekte, insbesondere:

  • Immunglobulin-Mangel <4g/dl IgG

  • Lymphopenie unter 500/ul, CD4-Zellen unter 200/ul

 

Diese Empfehlungen wurden von der Kommission Pharmakotherapie und dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. erstellt (Stand 24.03.2020).

Current recommendations of the German Society for Rheumatologie (DGRh) for the management of patients with inflammatory rheumatic diseases during the SARS-CoV-2/Covid 19 pandemic

30.03.2020

The German Society for Rheumatology (DGRh) wants to provide help to address special concerns in the care of patients with inflammatory rheumatic diseases/systemic autoimmune diseases in view of the current threat of the severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2).

So far, there are no evidence-based data for recommendations for the care and treatment of patients with rheumatic diseases in connection with the SARS-CoV- 2/Covid-19 pandemic. In particular, this concerns the specific effects of the infection of patients with inflammatory rheumatic diseases and the influence of immunosuppressive or immunomodulating antirheumatic drugs on the infection. Accordingly, the following recommendations are based on an expert consensus prepared by the DGRh. It is based on analogies to the procedures for other, longer known viral infections, on theoretical considerations and on previously known data and facts about the SARS-CoV-2 infection. It is understood that in each individual case a deviation from these recommendations can be useful. In addition, the facts about the further development of the infection as well as new therapeutic developments should be followed carefully, as changes to these consensus recommendations can always result from this.
 

1. Prevention of infections

  • The measures described by the German Robert Koch Institute (RKI) for the general population and for persons at particular risk that are updated daily apply.
  • Under certain conditions, patients with inflammatory rheumatic diseases have an increased risk of infection (Table 1). Whether this also applies to SARS-CoV-2 infections is not known. Whether COVID-19 is more severe in patients with an inflammatory rheumatic diseases than in persons without a rheumatic disease is not known, nor is the answer to the question whether immunosuppressive drug therapy represents an additional risk for a severe course. Patients with inflammatory rheumatic diseases should therefore consistently follow recommendations to avoid contacts to other individuals. This also includes discussing with the employer to which extent contact avoidance at the workplace can be implemented. Patients can be issued with a certificate that they are receiving immunosuppressive/ immunomodulating therapy, with which they can contact physicians in charge for their companies / public health officers / employers.
  • Contact between SARS-CoV-2 infected persons and rheumatologists, or between infected persons and rheumatological care facilities should be avoided until the infection has subsided (usually >14 days after the end of symptoms).
  • Necessary controls for therapy and disease monitoring should be ensured, but in individual cases, the risk of (primary care as well as rheumatology) doctor visits must be weighed against the risk of missing controls. For example, in patients with a stable disease state and with therapy that has already been running successfully for some time, temporarily longer monitoring intervals may be considered to avoid contact. The treatment of the SARS-CoV-2 infection itself should be performed and controlled by the primary care physician (mild cases), an infectious disease specialist, a pneumologist or, if necessary, an intensive care physician (severe cases), with the rheumatologist being available for consultation.
     

2. Anti-rheumatic drug therapy in the context of the current COVID-19 pandemic

A general pause or reduction of immunosuppression is not recommended, as the pandemic is expected to last longer and immunosuppressed patients would be at increased risk of relapse if therapy is reduced or immunosuppression is discontinued. Such a relapse or a flare of the underlying rheumatic disease increases the risk of infection (see Table 1). On the other hand, this destabilisation of disease control may lead to the necessity of intensifying the immunosuppressive therapy again (and possibly beyond the original level). Immunosuppressive therapies for remission induction (e.g. for vasculitis and others) should not be delayed or underdosed, whereby established therapy regimes with lower glucocorticoid (GC) doses should be preferred. Hydroxychloroquine (HCQ) should not be discontinued as this may be more beneficial than harmful in the COVID-19 infection.

The following specific recommendations are given:

2.1. Patients without signs of infection

  • Immunosuppressive and/or DMARD therapies used to maintain remission should not be discontinued or reduced in dose solely for fear of SARS-CoV-2 infection. However, dose reductions of GC may be considered in individual cases if the setting remains stable.
  • The dosages of immunosuppressive drugs or DMARDs should be carefully checked as usual and corrected if necessary. This also applies to dose adjustments recommended in the product information, for example in leukopenia.

2.2 Patients with COVID-19 contact but without signs of infection

  • Continue therapy as described in point 2.1.

2.3 Patients with COVID-19 contact and symptoms of an infection

  • A test for SARS-CoV-2 should be taken.
  • In case of mild symptoms and without fever: no change in therapy.
  • In case of significant signs of infection and especially fever (>38°C), pause anti-rheumatic medication.
  • Any long-term GC therapy should be continued at the same dose.

2. 4. Patients tested positive for SARS-CoV-2 but without signs of infection

  • Pausing or delaying ts- or bDMARD therapy for the mean incubation period of the virus should be considered. As it frequently not known then the infection may have occurred, a delay of 5-6 days after the smear has been taken should be considered.
  • Any continuous GC therapy should be continued at the same dose.
  • csDMARDs should not be discontinued.

2.5. Patients positive for SARS-CoV-2 tested with symptoms

  • Pausing the antirheumatic medication.
  • Any long-term GC therapy should be continued at the same dose.


3. Supportive measures (all patient groups)

  • In line with the recommendations of the German National Vaccination Committee (STIKO), the vaccination status should be updated (focus on pneumococci, influenza).
  • A PjP prophylaxis should be carried out if indicated (especially CYC, GC >15mg prednisolone equivalent).


Table 1: Important basic risk factors for an infection in patients with inflammatory rheumatic diseases

  • Higher age
  • Multimorbidity, especially pre-existing lung disease, diabetes mellitus
  • History of previous serious infections (e.g. sepsis)
  • Long-term therapy with glucocorticoids, especially ranging from 5 mg/day and above (risk increases with the long-term dose)
  • Therapy with DMARDs and other immunosuppressive drugs (exceptions: hydroxychloroquine, sulfasalazine)
  • High activity of the underlying rheumatic disease
  • Current cyclophosphamide therapy or therapy less than 8 weeks ago
  • Acquired and congenital immunodeficiencies, in particular:
  • Immunoglobulin deficiency <4g/dl IgG
  • Lymphopenia below 500/ul, CD4 cells below 200/ul

 

These recommendations were published by the Commission for Pharmacotherapy and the Board of the German Society for Rheumatology e.V. (Status 24.03.2020).