Mehr kompetente Versorgung für Rheumapatienten
Jede medizinische Fakultät braucht einen Lehrstuhl für Rheumatologie
Mehr als 1,5 Millionen Erwachsene in Deutschland leiden an entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Doch mitunter wird Rheuma nicht erkannt und deshalb auch nicht angemessen behandelt. Die Ursache dafür sieht die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) im Medizinstudium, in dem die Rheumatologie in viel zu geringem Umfang vorkommt. Zudem gäbe es zu wenig universitäre Lehrstühle. Für Patienten heißt das: Schmerzen und Folgeschäden, für die Gesundheitskassen hohe Folgekosten. Die DGRh sieht die Lösungen darin, Forschung und Lehre zu stärken. Wie sich die politischen Rahmenbedingungen ändern müssen, um die Versorgung zu verbessern und damit auch das Wohl des Patienten, diskutierten Experten im Rahmen der Pressekonferenz in Berlin.
Neue Medikamente ermöglichen heute vielen Rheumapatienten ein Leben mit hoher Lebensqualität. Voraussetzung dafür ist aber, dass Ärzte die Erkrankung früh und sicher diagnostizieren. Dem ist nicht so, meint Professor Dr. med. Hanns-Martin Lorenz, Präsident der DGRh: Rheumaerkrankungen zeigen zu Beginn oft nur unspezifische Symptome, die auch bei anderen Krankheitsbildern auftreten können. Bereits im Medizinstudium muss die Rheumatologie daher eine größere Rolle spielen. Mehrere Studien zur rheumatologischen Integration in die studentische Ausbildung – die RISA-Studien – zeigen, dass die internistische Rheumatologie hier nur mangelhaft verankert ist.
Studierende haben während ihres gesamten Medizinstudiums nur 14 Vorlesungsstunden in Rheumatologie, sechs rheumatologisch-praktische Übungen und sieben Stunden Übungen am Krankenbett. „Diese Schmalspur-Ausbildung bietet kaum Chancen, Interesse für das Fach zu entwickeln“, kritisiert Professor Lorenz, „zudem haben wir viel zu wenige universitäre Lehrstühle, um rheumatologische Forschung und Lehre voranzutreiben“. So gibt es derzeit nur an sieben Medizinischen Fakultäten C4-/W3-Lehrstühle für Rheumatologie mit einem internistischen Rheumatologen als Direktor. Deshalb fehle es wiederum an jungen Ärzten, die sich rheumatologisch weiterbilden. “Die Folge ist eine zu geringe Anzahl an internistischen Rheumatologen und schlimmstenfalls eine Unterversorgung der Patienten“, sagt Professor Lorenz. Das aktuelle Memorandum der DGRh zur rheumatologischen Versorgung in Deutschland zeigt zudem, dass derzeit mit rund 770 internistischen Rheumatologen nur die Hälfte des Bedarfs an Rheumatologen in Deutschland gedeckt ist.
Diese Schmalspur-Ausbildung bietet kaum Chancen, Interesse für das Fach zu entwickeln
„Angesichts der Vielfalt und Komplexität rheumatisch-entzündlicher Erkrankungen bleibt der Forschungsbedarf hoch“, sagt Professor Dr. med. Matthias Schneider, Generalsekretär der DGRh. Um der Mangelversorgung entgegenzuwirken, müsse an jedem Universitätsklinikum eine unabhängige internistisch-rheumatologische Einheit aufgebaut werden, so der Direktor der Poliklinik und des Funktionsbereichs für Rheumatologie am Universitätsklinikum Düsseldorf weiter. Die überschaubare wissenschaftliche rheumatologische Gemeinschaft hierzulande ist jedoch sehr aktiv. Aus Deutschland kommt Rheuma-Forschung von internationalem Rang. „Dieses große Potenzial muss erhalten und gestärkt werden“, sagt Professor Schneider.
Die Behandlung entzündlich-rheumatischer Erkrankungen bedingt zudem einen großen Anteil an Medikamentenkosten im deutschen Gesundheitssystem. „Diese Dimension verdeutlicht, dass Kenntnisse in der Rheumatologie und deren Behandlung Teil der medizinischen Ausbildung sein müssen. Nur so ist neben der bestmöglichen Behandlung im Sinne des Patienten auch der effektive Einsatz von Mitteln möglich“, erläutert Prof. Schneider.