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Beeinflusst Methotrexat die Wirksamkeit der Impfung gegen SARS-CoV-2?

Prof. Dr. med. Klaus Krüger für die Ad-hoc Kommission Covid-19 - Empfehlungen der DGRh

Die generelle Frage, ob und - falls ja - wie lange eine laufende Therapie mit sog. Basistherapeutika (disease modifying antirheumtic drugs, DMARD) und sonstigen immunmodulierenden Substanzen bei anstehender Impfung gegen SARS-CoV-2 unterbrochen werden sollte, wird viel diskutiert. Aufgrund limitierter Datenlage kann sie bis jetzt nicht sicher beantwortet werden. Auf höhergradiger Evidenz basierende Erfahrungen bei anderen Impfungen könnten im Analogieschluss Hilfestellungen liefern. Für das in der Rheumatologie am häufigsten eingesetzte DMARD Methotrexat (Mtx) liegen Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten koreanischen Studie vor (1): In vier verschiedenen Szenarien wurden hier bei 199 RA-Patienten unter stabil dosierter Mtx-Therapie die Auswirkungen auf die mittels vierfachem Antikörperanstieg gemessene Impfantwort nach Applikation eines trivalenten Influenza-Impfstoffs, der die Stämme H1N1, H3N2 and B-Yamagata enthielt, untersucht. Verglichen wurden (I) fortgeführte Therapie, (II) Unterbrechung vier Wochen vor, (III) je zwei Wochen vor und nach, sowie (IV) vier Wochen nach der Impfung. Schema III, gefolgt von Schema IV, zeigte dabei die beste Impfantwort in Bezug auf die erreichten Impftiter. Es wurde allerdings nicht untersucht, ob dies einen Einfluss auf die Rate an aufgetretenen Influenza-Infektionen hatte. Die Flare-Rate nach Pausierung von Mtx lag über 20%. Die gleiche Arbeitsgruppe legte noch eine zweite Studie vor, in der zwei Wochen Mtx-Pause nach der Impfung zu einer besseren Immunantwort – gemessen an den Antikörpertitern – führte. Interessanterweise traf dies nicht auf die Patienten zu, die eine geringere Mtx-Dosis (7,5 mg/Woche) erhalten hatten. In der Nachverfolgung über ein Jahr hatten 1 (0,6%) vs 3 Patienten (1,9%) in der Mtx-Pause Gruppe eine ‚an Influenza erinnernde‘ Infektion (2).

Diese Ergebnisse wurden in einer im Folgejahr erschienenen Metaanalyse nicht bestätigt (3). Hier fand sich bei fünf ausgewerteten Studien (ohne die erwähnte koreanische Studie) kein negativer Einfluss von Mtx auf die Antikörper-Antwort nach Influenza-Impfung. Somit sind die Ergebnisse der koreanischen Studien bisher nicht durch kontrollierte Untersuchungen bestätigt worden. Dennoch wird (vermutlich basierend auf der erstgenannten Studie) nach Eindruck der Autoren die Mtx-Gabe bei anstehender Influenza-Impfung häufig pausiert.

Aktuell ist eine retrospektive Untersuchung aus zwei in New York und Erlangen erfassten Kohorten erschienen, bei der unter Mtx-Therapie reduzierte Anti-SARS-CoV-2-Antikörper-Spiegel nach BNT162b2mRNA-Impfung bei einem Teil der geimpften Patienten berichtet wurde (4). Im Deutschen Ärzteblatt wurden diese Studie und ihre Ergebnisse in einer Meldung vom 26.Mai aufgegriffen und damit auf breiter Basis bekannt gemacht. Derartige Studien sind wichtig, um die Zusammenhänge zwischen einer anti-rheumatischen Therapie und der Immunreaktion nach Impfung zur studieren. Zum Inhalt: In New York wurden die Daten von 51 Patienten mit primär entzündlichen Erkrankungen (IMID = Immun-mediated Inflammatory Disease; 24 Psoriasis und/oder Psoriasis-Arthritis, 22 rheumatoide Arthritis, 5 andere entzündlich-rheumatische- Erkrankungen) und 26 gesunden Kontrollen ausgewertet, in Erlangen die Ergebnisse von 31 IMID-Patienten und 182 Kontrollen. Verglichen wurde die Impfantwort bei den gesunden Kontrollen sowie unter Mtx- bzw. unter anderer DMARD-Therapie. Unter Mtx wurde ein adäquater Anstieg (gemäß vorher festgelegtem Cut-Off) der gegen SARS-CoV-2 gerichteten Antikörper im Serum der Geimpften in der NY-Kohorte nur bei 18/25 (72%), in der Erlanger Kohorte bei 10/20 (50%) der Patienten erreicht. Bei den mit verschiedenen anderen DMARDs behandelten Patienten lag die Impfantwort demgegenüber bei > 90 % und damit im Bereich der gesunden Kontrollen. In der NY-Kohorte wurde außerdem gezeigt, dass eine Subpopulation von CD8 positiven T-Zellen bei Gesunden und bei Patienten unter DMARD-Therapie nach der Impfung anstieg, jedoch nicht bei den mit Mtx behandelten Patienten. Ein Zusammenhang der beobachteten humoralen und zellulären Auffälligkeiten mit dem Auftreten einer Infektion oder gar einer schweren COVID 19-Infektion nach Impfung ist in der Studie nicht untersucht worden und ist auch in absehbarer Zeit wegen der für diese Fragestellung erforderlichen sehr hohen Fallzahlen nicht zu analysieren.

Neben dem retrospektiven Design und der geringen Fallzahl weist die Studie weitere Limitationen auf: Die mit Mtx behandelten Patienten waren mit 63 Jahren im Schnitt deutlich älter als die in der Vergleichsgruppe mit 49 Jahren - was allein schon für eine reduzierte Immunantwort gesorgt haben könnte. Die Messung der Antikörper erfolgte einmalig kurz nach der zweiten Impfung, so dass eine nur verzögerte Impfantwort, wie in einer weiteren Studie für IMID-Patienten gezeigt (5), nicht ausgeschlossen werden kann. Neutralisierende Immunglobuline, welche eine wichtige Rolle für die Protektion gegen SARS-CoV-2 spielen, wurden im Rahmen der Studie gar nicht untersucht. Auch eine Korrelation mit der Krankheitsaktivität, die ebenfalls einen Einfluss auf die Impfantwort haben kann, wurde nicht analysiert und der mögliche Einschluss von Patienten mit laufender asymptomatischer SARS-CoV-2-Infektion war nicht ausgeschlossen. Weiter lässt der willkürlich festgelegte Cut-Off für die Response keinen Rückschluss darauf zu, ob mit dem Nicht-Erreichen der gewünschten humoralen Immunantwort auch ein höheres Infektionsrisiko verbunden ist. Hingewiesen sei zudem auf einen nicht trivialen Fehler, der den flüchtigen Leser in die Irre führen kann: Er ist im Abschnitt "what does this study add" enthalten, wo von einer um 62 % reduzierten Response-Rate (anstatt einer auf 62 % reduzierten Rate) gesprochen wird. Problematisch sind die diskutierten Konsequenzen aus den Ergebnissen der Studie - neben Mtx-Pause wird eine Modifizierung der Mtx-Dosis und/oder eine zusätzliche Impfdosis genannt – was aber derzeit spekulativ ist und potentiell zu einer Verunsicherung von Ärzten und Patienten im klinischen Alltag bzgl. der Therapieplanung führt.

Fazit

Die Frage, ob eine laufende Mtx-Therapie tatsächlich die protektive Immunantwort nach SARS-CoV-2-Impfung in relevanter Form abschwächt, lässt sich anhand der vorliegenden Daten nicht beantworten. In Kenntnis der Tatsache, dass ein kurzes z.B. ein- oder zweimaliges Pausieren der wöchentlichen Mtx-Gabe bei Patienten in stabiler Krankheitssituation mit einem vergleichsweise geringen Risiko der Auslösung eines Schubes der Grundkrankheit verbunden ist, kann eine solche kurze Unterbrechung der Therapie nach individueller Entscheidung zwischen Patient und behandelnder Rheumatolog*in durchaus erwogen werden. Zwingend notwendig erscheint sie aber nicht – zumal diese Pause bei den meisten Impfstoffen zweimal innerhalb relativ kurzer Zeit erfolgen müsste. Keinesfalls aber sollte eine längere Therapiepause gemacht werden - die Auslösung eines Schubes der Grundkrankheit wäre eine mögliche kritische Folge. Für eine ausführlichere Einschätzung der Datenlage und der Konsequenzen daraus (auch in Bezug auf weitere DMARD) wird auf die demnächst erscheinenden aktualisierten Handlungsempfehlungen der DGRh für die Betreuung von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen im Rahmen der SARS-CoV2/COVID-19-Pandemie verwiesen.

Abstract

The question whether an ongoing treatment with methotrexate (Mtx) impairs the immune response after SARS-CoV-2 vaccination cannot be answered with certainty on the basis of the available data, and it is still not clear whether an impaired immune response under immunomodulation increases the risk for contracting SARS-CoV-2 or developing severe COVID-19. However, considering discontinuation of the weekly Mtx treatment for e.g. one or two weeks is probably associated with a low risk of inducing a disease flare of the underlying inflammatory rheumatic disease. Discontinuation of the immunomodulation for a short time period might be considered according to the individual decision involving the patient and the treating rheumatologist. Nevertheless, discontinuation of Mtx therapy does not appear to be absolutely necessary - especially since discontinuation would have to occur twice within a short period of time for most of COVID-19 vaccines. Under no circumstances, longer periods of discontinuation should be considered as this would increase the risk for disease flares significantly. Further recommendations regarding the management of patients with inflammatory rheumatic diseases in the context of the SARS-CoV-2 pandemic, especially COVID-19 vaccination under immunomodulation, from the German Society for Rheumatology (DGRh) will follow soon.

Literatur

1.Park JK, Lee MA, Lee EY et a. (2017) Effect of methotrexate discontinuation on efficacy of seasonal influenza vaccination in patients with rheumatoid arthritis: a randomised clinical trial. Ann Rheum Dis 76: 1559 - 1565.

2. Park JK, Lee YJ, Shin K et al. (2018) Impact of temporary methotrexate discontinuation for 2 weeks on immunogenicity of seasonal influenza vaccination in patients with rheumatoid arthritis: a randomised clinical trial. Ann Rheum Dis 77: 898 - 904.

3. Subesinghe S, Bechman K, Rutherford AI et al. (2018) A Systematic Review and Metaanalysis of Antirheumatic Drugs and Vaccine Immunogenicity in Rheumatoid Arthritis. J Rheumatol 45: 733 - 744.

4. Haberman RH, RaminSedaghatHerati, Simon D et al. (2021) Methotrexate Hampers Immunogenicity to BNT162b2 mRNA COVID-19 Vaccine in Immune-Mediated Inflammatory Disease. Ann Rheum Dis, first published as 10.1136/annrheumdis-2021-220597 on 25 May 2021.

5. Simon D, Tascilar K, Fagni F et al. (2021) SARS-CoV-2 vaccination responses in untreated, conventionally treated and anticytokine-treated patients with immune-mediated inflammatory diseases. Ann Rheum Dis, first published as 10.1136/annrheumdis-2021-220461 on 6 May 2021.

 

Prof. Dr. med. Christof Specker
Prof. Dr. med. Hendrik Schulze-Koops
Prof. Dr. med. Gerd-Rüdiger Burmester
Dr. med. Martin Krusche
Anna Julia Voormann
Rotraut Schmale-Grede
Prof. Dr. med. Andreas Krause
Prof. Dr. med. Klaus Krüger
Prof. Dr. med. Jürgen Braun
Dr. med. Peer Aries
Prof. Dr. med. Frank Moosig
Prof. Dr. med. Julia Holle
Prof. Dr. med. Matthias Schneider
PD Dr. med. Rebecca Fischer-Betz
Prof. Dr. med. Reinhard Voll
PD Dr. med. Christof Iking-Konert
Prof. Dr. med. Hanns-Martin Lorenz
Prof. Dr. med. Ulf Wagner
Dr. med. Jan Leipe
Prof. Dr. med. Bimba Franziska Hoyer
Dr. med. Rebecca Hasseli
PD Dr. med. Anja Strangfeld

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