i.v.-Immunglobuline bei chronischen idiopathischen Myositiden
Inhaltsverzeichnis
1. Klinische Situation
2. Behandlung mit IVIG
3. Einsatzbereiche chronische Myositis
4. Kontraindikation
5. Strenge Indikationsstellung
6. Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung
7. Überwachung bei Infusion
8. Durchführung
9. Unerwünschte Wirkungen d.IVIG-Therapie
10. Wechselwirkungen
11. Studien / Klinische Erfahrungen
12. Probleme / Offene Fragen
13. Zusammenfassung
14. Literatur
Erstveröffentlichung März 2005 / zuletzt überprüft August 2024
Die Dermatomyositis (DM), die Polymyositis (PM) und die Einschlusskörperchen-Myositis (EKM) stellen die drei Hauptformen idiopathischer chronischer Myositiden dar1-3. Dermatomyositis und Polymyositis werden auch im Kindesalter beobachtet4. Die Inzidenz entzündlich-immunologischer Myositiden wird auf 5–7 pro 1 Mio Einwohner pro Jahr geschätzt2.
Es handelt es sich um potenziell lebensbedrohliche oder zu körperlicher Behinderung führende Erkrankungen, für die keine kausale Therapie zur Verfügung steht. Die Standardtherapie besteht in der Verabreichung von Glucocorticoiden, anfangs bei Erwachsenen und Kindern 1–2 mg pro kg Körpergewicht (KG) pro Tag, bei schwerer akuter Myositis eventuell Beginn als i.v.-Pulstherapie mit bis zu 15 mg Methylprednisolon pro kg KG pro Tag an drei aufeinander folgenden Tagen2, 5. Entweder von Anfang an zur Steroideinsparung oder wenn im Verlauf unter Glucocorticoiden keine ausreichende Effektivität oder unakzeptable unerwünschte Wirkungen wie schwere Osteoporose beobachtet werden oder wenn die Dosisreduktion bei hochdosierter Glucocorticoid-Dauertherapie nicht gelingt (nach drei Monaten Prednisolon noch >10 mg/Tag), wird mit zytotoxischen Substanzen kombiniert2, 5. Zur Verfügung stehen Methotrexat (bis 25 mg/Woche, bei Kindern bis 20 mg/qm Körperoberfläche (KOF)/ Woche), Azathioprin (maximal 150–200 mg/Tag, bei Kindern 2–3 mg/kgKG/Tag), Cyclosporin A (Erwachsene und Kinder bis 3,5 mg/kgKG/Tag) oder Cyclophosphamid (maximal 150 mg/Tag, bei Kindern keine ausreichenden Erfahrungen bei Dermatomyositis). Erweist sich die Erkrankung trotz mindestens sechsmonatiger, ausdosierter Therapie mit Glucocorticoiden und /oder zytotoxischen Medikamenten als therapieresistent (-> trotz Therapie progressive Muskelschwäche, persistierende Dermatitis und deutliche krankheitsbedingte Einschränkungen im Alltag6), so kann eine Behandlung mit i.v. Immunglobulinen (IVIG) versucht werden.
Herstellung
Die Herstellung der Immunglobulinpräparate erfolgt aus dem gepoolten Plasma gesunder Spender (> 2000 bis 100 000 Spender pro Charge) durch Alkoholfraktionierung mit nachfolgenden weiteren Reinigungsschritten wie Sulfonierung, Ultrafiltration oder Ionenaustausch-Chromatografie7. Nachdem zwischen 1993 und 1997 >200 Fälle von Infektionen mit Hepatitis C im Rahmen einer IVIGBehandlung berichtet worden waren8–21, wurden zusätzliche Reinigungsschritte eingefügt, u. a. Inkubation in saurem Milieu, Pasteurisation oder Hydrolase-/ Detergentien-Exposition.
Bei Verwendung von Produkten, die nach diesen Standards hergestellt sind, wurden seither keine weiteren Infektionen mit Hepatitis B und C bzw. mit HIV berichtet22–24. Eine Übertragung von anderen infektiösen Erkrankungen (z. B. Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung) ist prinzipiell nicht auszuschließen, entsprechende Fälle wurden bislang aber nicht berichtet25–27.
Zusammensetzung und Pharmakokinetik
Die Präparationen enthalten bei 50 mg (Venimmun® je nach Auflösung 30 mg oder 60 mg/ml) Gesamtprotein pro Milliliter vor allem hochgereinigtes, polyvalentes IgG (80 bis >95%) und einen geringen Anteil an IgA (je nach Präparat 3–270 g/ml, Venimmun® bis 6,1 mg/ ml). Die Halbwertszeit beträgt bei Gesunden 20–25 Tage (Venimmun® 11–17 Tage)28, 29.
Therapeutischer Einsatz bei Autoimmunerkrankungen
Durch kontrollierte Studien belegte Wirksamkeit besteht für eine Reihe von Autoimmunerkrankungen, u. a. für das Guillain-Barré-Syndrom, für die Myasthenia gravis, das Kawasaki-Syndrom und die multiple Sklerose30–36. Folgende Anwendungsgebiete sind in Deutschland bislang zugelassen:
- bei schweren primären und sekundären Immunmangelkrankheiten
Immunmodulation
- bei idiopathischer thrombozytopenischer Purpura mit hohem Blutungsrisiko oder vor chirurgischen Eingriffen,
- beim Guillain-Barré-Syndrom,
- beim Kawasaki-Syndrom sowie
bei allogener Knochenmarkstransplation
Wirkungsmechanismen der IVIG-Therapie-Therapie
Eine eindeutige Zuordnung spezifischer Wirkungsmechanismen zu bestimmten Autoimmunerkrankungen ist bislang nicht möglich. Diskutiert werden verschiedene immunregulatorische Effekte, die bei unterschiedlichen Erkrankungen nach Art und Ausmaß variieren könnten. Im einzelnen werden diskutiert2, 37, 38
- eine Wirkung über Fc-Rezeptoren wie dei Blockade von Fc-Rezeptoren an Makrophagen und an Effektorzellen,
- antientzündliche Wirkungen durch Verminderung von Immunkomplex-vermittelten Entzündungsreaktionen, Verminderung der Freisetzung von Entzündungsmediatoren oder durch Induktion antientzündlich wirksamer Zytokine,
- Verminderung der Produktion von Autoantikörpern durch Hemmung der B-Zellaktivität (antiidiotypische Wirkung),
- Aktivierung von regulatorischen T-Zellen,
- die Beeinflussung des Zellwachstums durch Regulation der Apoptose und Hemmung der Lymphozytenproliferation,
- Solubilisierung von Immunkomplexen,
- Hemmung myotoxischer Zytokine wie TNF-a und IL-1,
- eine Interferenz mit der Fc-Rezeptor-vermittelten Phagozytose durch Blockade des Fc-Rezeptors von endomysialen Makrophagen sowie
- die Hemmung der Bildung von Ablagerung von Immunkomplexen, die endomysiale Kapillaren membranolytisch schädigen.
3. EINSATZBEREICHE CHRONISCHE MYOSITIS
- Resistenz gegenüber der konventionellen Therapie bei schwerer DM und PM im Kindes- und Erwachsenenalter,
- Unverträglichkeit der konventionellen Therapie bei schwerer DM und PM im Kindes- und Erwachsenenalter,
- Kontraindikation gegen die konventionelle Therapie bei schwerer DM und PM im Kindes- und Erwachsenenalter.
- Überempfindlichkeit gegen jegliche Bestandteile des Präparates
- Bekannte Überempfindlichkeit gegen Immunglobuline
- Selektiver IgA-Mangel
5. STRENGE INDIKATIONSSTELLUNG
- Schwangerschaft, Stillzeit
- Thrombose, Hyperviskosität
- Nierenerkrankungen
- nephrotoxischer Begleitmedikation
- Hypovolämie
6. VORSICHTSMASSNAHMEN FÜR DIE ANWENDUNG
- bei Patienten mit Hypo- oder Agammaglobulinämie mit oder ohne IgA-Mangel
- bei Patienten, ide erstmals humanes Immunglobulin erhalten
- bei Präparatewechsel
- nach längerer IVIG-Behandlungspause
- aktuelle Fachinformation des verwendeten Präparates beachten
- Vitalparameter
- Anaphylaktische Reaktion? (auf Frühzeichen achten! Adrenalin und Glucocorticoide bereithalten; ggf. sind die aktuellen medizinischen Standardmaßnahmen für die Schockbehandlung anzuwenden)
- Messung der Urinausscheidung und der Serum-Kreatininkonzentration
- Überempfindlichkeitsreaktionen können auch nach Beendigung der Infusion auftreten
- Die Zubereitung der Infusionslösungen weist zwischen den Herstellern geringe Unterschiede auf. Aktuelle Fachinformation des verwendeten Präparates beachten.
- Kräftiges Schütteln bzw. Aufschäumen vermeiden.
- Infusionslösungen möglichst körperwarm verwenden.
- Bei erstmaliger Anwendung soll initial eine langsame Infusionsgeschwindigkeit gewählt werden: Beginn mit 0,5 ml/kgKG/h, bei guter Verträglichkeit bis 2–3 ml/kgKG/h, Gesamtinfusionsdauer ca. 3–5 Stunden.
- die am häufigsten verwendete Dosierung bei Autoimmunerkrankungen beträgt um 2 g/kg Körpergewicht pro Monat. Diese kann auf zwei bis fünf aufeinander folgende Tage verteilt und bei Bedarfnach einem Monat erneut gegeben werden.
- Es besteht Dokumentationspflicht: Patientendaten, Präparat, Chargennummer (-> Transfusionsgesetz).
9. UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN DER IVIG-THERAPIE
Mit schweren unerwünschten Wirkungen muss bei 1–2,5% der behandelten Patienten gerechnet werden28. Bei immerhin bis zu 10–50% der Patienten werden leichtere unerwünschte Reaktionen berichtet39. Insbesondere können während der ersten Stunde der Infusion Gesichtsrötung, Brust-Engegefühl, Rückenschmerzen, Übelkeit, Schüttelfrost, Fieber, Schwitzen, Kopfschmerzen und Blutdruckabfall beobachtet werden40. Je nach Schwere der Symptomatik muss die Infusionsgeschwindigkeit verlangsamt oder die Infusion gestoppt werden.
Anaphylaxie
Anaphylaktische Reaktionen sind selten und werden vorzugsweise bei Patienten mit selektivem IgA-Mangel beobachtet40, bei denen man gehäuft Antikörper gegen IgA findet41.
Akutes Nierenversagen
Gelegentlich im Zusammenhang mit IVIG-Therapie beobachtete Fälle von akutem Nierenversagen werden vorzugsweise bei Verwendung Saccharose-haltiger (-> zur Stabilisierung der Immunglobulinlösung) Immunglobulinpräparate gesehen und als osmotische Tubulusschädigung durch Aufnahme von Saccharose in die Zellen des proximalen Tubulus erklärt. Bis Mai 2002 wurden weltweit 114 Fälle berichtet42–45. Als Risikofaktoren werden vorbestehende Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus, Hypovolämie, Übergewicht, nephrotoxische Begleitmedikation sowie ein Alter >65 Jahre angesehen. Bei Vorliegen von Risikofaktoren sollen keine Saccharose-haltigen Präparate verwendet werden45.
Hämolyse
In Einzelfällen wurden Coombs-Test-positive hämolytische Anämien beobachtet, insbesondere bei Infusion mit hohen Immunglobulin-Konzentrationen46–49. Diese Reaktionen werden mit dem Vorhandensein von Erythrozyten-Alloantikörpern wie Anti-D, Anti-A und Anti-B in der Immunglobulinpräparation erklärt.
Aseptische Meningitis
Nach Infusion großer Mengen von Immunglobulinen (≥1 g/kgKG/Tag) entwickeln sich selten aseptische Meningitiden. Bislang wurde über 30–40 Fälle berichtet, in einer Studie 11% (6 von 54) aseptische Meningitiden beobachtet50. Dabei bestand kein Zusammenhang mit der Infusionsgeschwindigkeit oder mit einer bestimmten Präparation. Klinisch treten starke und andauernde Kopfschmerzen auf. Bei der Liquoruntersuchung findet sich eine Pleozytose.
Thrombembolische Ereignisse
Im Zusammenhang mit IVIG-Therapie wurden in bis zu 2–3% der Patienten thrombembolische Ereignisse wie tiefe Venenthrombose, Schlaganfall und Myokardinfarkt berichtet39, 51–60. Als Risikofaktoren gelten: Patienten mit Anzeichen für zerebrale oder koronare Ischämie, Bluthochdruck, Alter >65 Jahre.
Infektionsübertragung
s.o. "Grundlagen der Behandlung mit IVIG-Therapie/Herstellung“.
Der Impferfolg von aktiven Schutzimpfungen mit abgeschwächten Lebendimpfstoffen wie Masern-, Röteln- oder Mumpsimpfstoffen kann herabgesetzt sein. Entsprechende Impfungen sollten frühestens drei Monate nach der letzten Immunglobulininfusion durchgeführt werden (s. Fachinformationen). Die Beurteilung serologischer Testergebnisse kann direkt nach IVIG-Gabe erschwert sein, insbesondere die Interpretation infektionsserologischer Befunde, des Coombstestes oder auch des ANA-Titers oder eines Rheumafaktornachweises.
11. STUDIEN / KLINISCHE ERFAHRUNGEN
A) Erwachsene
Dermato-/Polymyositis
Es liegen eine kontrollierte Studie mit 15 Patienten6 und mehrere Beobachtungsstudien vor:
- In ihrer doppelblinden, placebo-kontrollierten Studie untersuchten Dalakas et al. 15 Patienten (18–55 Jahre) mit „therapieresistenter“, aktiver Dermatomyositis6 (Tabelle 1): Trotz mindestens 4–6-monatiger Behandlung mit hochdosierten Glucocorticoiden oder therapeutischen Dosen von Methotrexat, Azathioprin oder Cyclophosphamid zeigten die Patienten progressive Muskelschwäche, persistierende Hautausschläge und deutliche Einschränkungen der Aktivitäten des täglichen Lebens („ADL“)6. Unter Weiterführung der Prednisontherapie (mittlere Tagesdosis 25 mg) erhielten die Patienten einmal pro Monat für 3 Monate eine Infusion mit IVIG (2 g/kgKG) oder mit Placebo mit der Option, für drei weitere Monate die jeweils andere Therapie zu erhalten („Crossover“). Um sicherzustellen, dass beiden Behandlungsgruppen, IVIG oder Placebo, Patienten mit ähnlich schweren Erkrankungen zugeordnet wurden, erfolgte die Zuordnung in einer „Blockrandomisationsprozedur“.
Gemessen wurden die „neuromuskuläre Symptomatik“ (20 Aktivitäten zur Testung spezifischer Muskelgruppen mit Score 0–3, „NS-Score“, Gesamtscore 60), die „Activity of daily life“ (ADL) und die Muskelkraft („modified Medical Research Council scale“, „MRC-Score“). Die mit IVIG behandelten Patienten entwickelten eine signifikante Zunahme des MRC-Scores (p<0,018 gegen Ausgangswert) und des NS-Scores (p<0,035 gegen Ausgangswert), nicht jedoch die sieben Placebobehandelten Patienten. Mit den „Cross-over-Patienten“ erhielten insgesamt 12 Patienten IVIG, von denen 11 einen Anstieg der MRC-Scores zeigten (von Mittelwert 74,5 auf Mittelwert 84,7; Gesamtscore 90). Von den übrigen drei Patienten entwickelten zwei eine leichte Besserung, während ein Patient unverändert blieb. Bei fünf Patienten mit klinischer Besserung und mehrfachen Muskelbiopsien konnten eine Zunahme des Durchmessers der Muskelfasern, ein Anstieg der Zahl der Kapillaren und eine Abnahme von deren Durchmesser nachgewiesen werden (p<0,01). Von den 11 Placebo-behandelten Patienten (7 plus 4 „Cross over“-Patienten) zeigten vier Patienten leichte Verbesserungen der MRC-Scores (2–4 Grade bei Gesamtscore 90), zwei blieben ohne Änderung und fünf verschlechterten sich (Tabelle 1). Von elf Patienten mit IVIG-Therapie und auswertbaren NS-Scores zeigten alle Patienten eine Zunahme des Scores, während von den zehn Patienten mit Placebo und auswertbaren NS-Scores sechs eine Abnahme (=Verschlechterung), zwei eine Zunahme des Scores zeigten (jeweils n.s.). – Das Gesamtergebnis des Parameters ADL wird nicht berichtet.
Tabelle 1: Ergebnisse einer Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie mit Blockrandomisierung
15 Patienten |
8/15 IVIG | 7/15 Placebo |
MRC-Score ↑ (p < 0,018) 5/8 erheblich besser 2/8 leichte Besserung 1/8 gleich |
MRC-Score → (n.s.) 3/7 schlechter 2/7 leicht besser 2/7 unverändert |
NS-Score ↑ (7/8 auswertbar) (p < 0,035) 3/7 deutlich besser 4/7 leicht besser |
NS-Score → (6/7 auswertbar) (n.s.) 2/6 leicht besser 4/6 schlechter |
Freiwillige Cross-over Phase |
Von IVIG-Therapie auf Placebo 4/8 |
Von Placebo auf IVIG-Therapie 4/7 |
MRC-Score 2/4 besser 2/4 schlechter |
MRC-Score 4/6 besser
|
NS-Score 2/4 gleich 2/4 schlechter |
NS-Score 4/4 besser
|
- Cherin et al. behandelten in einer offenen, prospektiven Studie 35 Patienten mit Polymyositis, die auf mindestens vier- bis sechsmonatige „traditionelle“ Therapien mit Glucocorticoiden oder Immunsuppressiva nicht angesprochen oder unerwünschte Wirkungen entwickelt hatten61. Alle 35 Patienten hatten vor der IVIG-Therapie mindestens eine Kombination von Glucocorticoiden mit Methotrexat oder Azathioprin erhalten. Im Einzelnen waren zuvor verwendet worden: Glucocorticoide (35/35), Methotrexat (24/35), Azathioprin (13/35), Cyclophosphamid (4/35), Cyclosporin A (7/35), Chlorambucil (1/35), darüber hinaus Plasmapherese (8/35), Lymphopherese (1/35), Ganzkörperbestrahlung (1/35).
- Gemessen an der Muskelkraft (modifiziertes British Medical Council grading system, maximal 88 Punkte), einem selbst entwickelten, validierten „Muscle disability scale (MDS) score (75 Punkte=maximale Behinderung) und der Creatinkinase (CK) waren die Erkrankungen nach wie vor aktiv. Die Patienten erhielten an zwei aufeinander folgenden Tagen je 1g IVIG/kgKG pro Monat. Gemessen wurden der MRC-Score (Therapieerfolg, wenn MRC-Score-Zunahme nach IVIG-Therapie ≥ 18 Punkte), der MDS-Score (Therapieerfolg, wenn MDS-Score-Abnahme nach IVIG-Therapie ≥ 8 Punkte), die CK sowie die mittlere Reduktion der Glucocorticosteroiddosis vor und nach jeder IVIG-Gabe. Bei fehlendem Ansprechen wurde die IVIG-Therapie nach dem dritten Zyklus beendet, bei Respondern mindestens über sechs Zyklen weitergeführt. Die Therapie war bei 25 Patienten (71%) erfolgreich: MRC-Score-Zunahme von 45,3 auf 69,8 (p<0,05), Abnahme des MDS-Score von 21,1 auf 8,4 (p<0,05), Abnahme der CK von 2010 U/l auf 420 U/l (p<0,05) und Verminderung der mittleren täglichen Glucocorticoiddosis von 32,7mg/Tag auf 21,9 mg/Tag (p<0,05). Bei 12 der 25 Patienten blieb dieses Ergebnis auch nach Absetzen der IVIG-Therapie bestehen (Follow-up 51,4 ± 13,1 Monate).
- Göttfried et a. beobachteten in einer offenen Studie der Universitätshautklinik Wien unter IVIG-Therapie bei sieben von 19 Patienten (31–84 Jahre) Verbesserungen eines Hautscores (Vergleich eines standardisierten Fotos vor und nach Therapie, Score 0 bis 2, jeweils derselbe „geblindete“ Untersucher): Senkung des Duchschnittsscores vor Therapie von 1,24 auf 0,5 nach IVIG-Therapie; bei den 12 Non-Respondern betrug der Hautscore vor und nach IVIG-Therapie 1,562.
- Danieli et al. behandelten in einer offenen Studie 13 von 20 Patienten mit Dermato- oder Polymyositis (12x DM, 8x PM), die nicht ausreichend auf Prednisolon plus Cyclosporin A ansprachen, zusätzlich mit IVIG (7/13) oder mit IVIG plus Plasmapherese (6/13) [63]. Die Patienten mit IVIGTherapie hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit, am Ende der Beobachtungszeit von vier Jahren in kompletter Remission zu sein (p<0,001). Die Plasmapherese-Behandlung führte zu keiner zusätzlichen Besserung.
Einschlusskörperchen-Myositis (EKM)
Soueidan & Dalakas hatten 1993 in einer Pilotstudie mit vier Patienten mit EKM zunächst ermutigende Resultate berichtet [64]. Auch in zwei aktuelleren Einzelfallberichten wurden positive Effekte gesehen65, 66. Diese günstigen Ergebnisse konnten von Amato et al. 1994 in einer offenen Studie mit neun Patienten nicht bestätigt werden67.
Weitgehende Klarheit über die fehlende Wirksamkeit einer monatlichen IVIG-Gabe bei EKM verschafften dann drei Studien mit insgesamt 77 Patienten68–70:
- Dalakas et al. untersuchten in zwei prospektiven, randomisierten, Placebo-kontrollierten Studien insgesamt 55 Patienten68, 69.
- Eine weitere prospektive, Placebo-kontrollierte randomisierte Untersuchung mit 22 EKM-Patienten bestätigte diese Ergebnisse prinzipiell, wenn auch in einem von fünf Parametern („Neuromuscular Symptom Score“) eine leichte Besserung sowie ein statistisch nicht signifikanter Trend zur Verminderung der Krankheitsprogression gesehen wurden70.
B) Kinder
Die Inzidenz der juvenilen DM/PM liegt bei 0,3/100 000/Jahr mit einem Verhältnis von DM zu PM von 10–20 zu 171. Im Unterschied zur DM/PM bei Erwachsenen stellt die Assoziation zu Malignomen eine Ausnahme dar. Lebensbedrohliche Situationen werden bei Kindern vorwiegend durch vaskulitische 106 Komplikationen im Bereich des Magen-Darm-Traktes (Blutung, Perforation) und durch Infektionen (Aspirationspneumonie, Immunsuppression) gesehen72–74. Zu den wichtigsten Langzeitproblemen gehören schwere funktionelle Einschränkungen infolge ausgeprägter Neigung zu Kontrakturen und Muskelatrophie sowie in bis zu 40% die Entwicklung von Kalzinosen (Subkutis, Muskulatur)73, 75, 76.
Für die juvenile DM/PM liegen bislang keine kontrollierten Therapiestudien für eine Behandlung mit IVIG vor. Derzeit läuft die Planung für eine multizentrische Studie auf europäischer Ebene im Rahmen der PRINTO (Pediatric Rheumatologic International Orgnaisation)
Die neun zwischen 1987 und 1999 veröffentlichten Fallberichte mit insgesamt zwölf Patienten (10x DM, 2x PM) zeigten positive Resultate77–85 und ermutigten zu weiteren Untersuchungen mit etwas größeren Fallzahlen:
- Lang et al. konnten 1991 in einer neunmonatigen Beobachtungsstudie bei fünf Patienten mit Dermatomyositis unter monatlicher IVIG-Therapie eine Zunahme der Muskelkraft (proximale Muskulatur untere Extremitäten 34–606%, proximale Muskulatur obere Extremitäten 30–186%, Sphygmomanometrie) sowie einen teils dramatischen Rückgang der Hauterscheinungen nachweisen86.
- Samsone / Dubowitz fassten 1995 ihre retrospektiven Beobachtungen der voraufgegangenen vier Jahre an neun mit IVIG behandelten Patienten mit juveniler Dermatomyositis zusammen. Sie fanden bei allen neun Patienten Befundbesserungen, die sich in unterschiedlichem Ausmaß auf die Kategorien Muskelkraft, 8,5 m-Gehzeit und „Motor Ability Score“ (20 geprüfte Funktionen mit 2-Punkte-Score) bezogen. Bei sechs von acht zusätzlich mit Glucocorticoiden behandelten Kindern konnte die Steroiddosis reduziert werden87.
- Al-Mayouf et al. konnten in einer retrospektiven Auswertung ihrer Daten von 18 Kindern mit glucocorticoidabhängiger bzw. -resistenter Dermatomyositis bei 12 Kindern Verbesserungen der Muskelkraft und des CHAQ-Scores (CHAQ – Child Health Assessment Questionnaire) nachweisen und die Glucocorticoide auf teilweise weniger als 50% der Ausgangsdosis reduzieren88. Indikationen für den Beginn einer IVIG-Therapie waren unzureichender Effekt einer hochdosierten Glucocorticosteroidtherapie, Steroidabhängigkeit sowie inakzeptable unerwünschte Glucocorticosteroidwirkungen wie Bluthochdruck oder Osteoporose.
Datenlage
Für Patienten mit DM liegt lediglich eine kontrollierte Studie mit niedriger Fallzahl (n=15) vor6. Für die PM fehlen kontrollierte Studien ebenso wie für die DM und PM im Kindesalter, wenn auch aus offenen Studien überwiegend positive Ergebnisse berichtet wurden. Dagegen belegen drei kontrollierte Studien die Unwirksamkeit einer IVIGTherapie bei EKM68–70, 89.
Dosierung, Dosisintervall, Therapiedauer
Dosisfindungsstudien und Studien, die ein optimales Intervall zwischen zwei Infusionszyklen definieren, fehlen bislang. Untersuchungen zur Festlegung einer optimalen Therapiedauer wurden bislang nicht durchgeführt. Unklar ist, inwieweit bzw. wie oft es im Therapieverlauf zu einem Wirkungsverlust kommen kann.
Vergleich verschiedener IVIG-Präparate
Generell geht man von ähnlicher Wirksamkeit der verschiedenen zur Verfügung stehenden IVIG-Produkte aus. Die vorliegenden Daten scheinen nicht auf Unterschiede hinzudeuten. Jedoch wurden für bestimmte Indikationen einschließlich der PM/DM entsprechende vergleichende Untersuchungen nicht durchgeführt.
Unerwünschte Wirkungen
Die IVIG PRäparate werden aus dem Plasma tausender „gesunder“ Spender hergestellt. Zwar konnte durch die Einführung zusätzlicher Reinigungsschritte das Infektionsrisiko deutlich gesenkt werden22–24. Dennoch bleibt ein „Restrisiko“ für die Übertragung von möglicherweise auch bislang unbekannten Infektionen. Ob eine Creutzfeld-Jacob-Erkrankung tatsächlich nicht übertragen werden kann, wird wegen der Latenz dieser Erkrankung mit größerer Sicherheit erst durch langjährige prospektive Beobachtung der betreffenden Patienten festzustellen sein25–27.
Kosten
Die Kosten einer IVIG-Therapie liegen bei monatlicher Applikation über denen der „Biologicals“.
Die Dermatomyositis und Polymyositis im Erwachsenen- und im Kindesalter sprechen in der Regel gut auf Glucocorticoide und/oder immunsuppressive Substanzen an. Bei therapieresistenten, schweren Verläufen, bei Unverträglichkeit oder bei Kontraindikationen der Standardtherapie können Infusionen von Immunglobulin-Präparaten eingesetzt werden. Angesichts der mäßigen Datenlage bei hohen Kosten soll die Indikation streng gestellt werden. Indikationsstellung und Durchführung der Therapie setzen entsprechende Erfahrungen voraus. Bei der Einschlusskörperchen-Myositis ist eine Therapie mit Immunglobulininfusionen nicht indiziert.
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