Empfehlungen zum Einsatz von Belimumab beim Systemischen Lupus erythematodes
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Empfehlung
3. Dosierung und Monitoring
4. Impfung und Ansprechen
5. Kontraindiktion und Vorsichtsmaßnahmen
6. Schwangerschaft und Stillzeit
7. Grundlagen der Bewertung
8. Zusammenfassung
9. Literatur
Erstveröffentlichung April 2013 / zuletzt überprüft August 2024
Der Systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine Autoimmunerkrankung mit einem variablen klinischen Erscheinungsbild. Die Behandlung orientiert sich an individuellen Manifestationen und der Schwere des Erkrankungsbildes, insbesondere an den vorhandenen Organbeteiligungen. Die aktuell eingesetzten Therapieformen beim SLE sind pathophysiologisch nicht spezifisch ausgerichtet und umfassen NSAR, Glucocorticoide, Antimalariamittel und Immunsuppressiva. Letztere werden insbesondere bei unzureichender Beeinflussung der Krankheitsaktivität bzw. anhaltend hohem Glucocorticoid-Bedarf eingesetzt. Vor allem Immunsuppressiva sind mit teils ernsten unerwünschten Kurz- und Langzeit-Effekten verbunden. Zudem wird bei einem nicht geringen Teil der Patienten kein oder ein nur unzureichendes therapeutisches Ansprechen durch die zugelassenen oder die als „off-label“ eingesetzten Medikamente erreicht. Die zentrale Rolle der B-Lymphozyten in der Pathogenese des SLE hat in den letzten Jahren das Interesse insbesondere auf spezifischere, B-Zell gerichtete Therapien gelenkt. Mit Belimumab erfolgte im Juli 2011 die europäische Zulassung eines monoklonalen Antikörpers gegen den B-Lymphozytenstimulator BLyS als „Zusatztherapie bei erwachsenen Patienten mit aktivem, Autoantikörper-positiven systemischen Lupus erythematodes, die trotz Standardtherapie eine hohe Krankheitsaktivität (z.B. positiver Test auf Anti-dsDNA-Antikörper und niedriges Komplement) aufweisen“ (Zulassungstext).
Die folgenden Empfehlungen wurden auf der Basis einer systematischen Literaturrecherche (Stand 01.05.2012) erstellt.
Die DGRh empfiehlt auf Basis des aktuellen Kenntnisstands den Einsatz von Belimumab bei Patienten mit gesichertem und klinisch und serologisch aktivem1 systemischen Lupus erythematodes trotz einer individuell angepassten Standardtherapie2. Diese besteht in der Regel aus Antimalariamitteln, einem Immunsuppressivum (z.B. Azathioprin) und/oder Glucocorticoiden4. Ebenfalls häufig angewendet werden Methotrexat und Mycophenolat-Mofetil (MMF), für die in Deutschland jedoch keine Zulassung beim SLE bestehen. Unter Abwägung von Nutzen und Risiko besteht eine Indikation zum Einsatz von Cyclophosphamid vornehmlich bei schwerer viszeraler Beteiligung.
Die Indikation zu einer Therapie mit Belimumab soll von einem internistischen Rheumatologen oder einem anderen in der Therapie des SLE erfahrenen Arzt gestellt werden.
Präzisierung
- Bei den Patienten sind Zellkernantikörper und Symptome einer Krankheitsaktivität nachweisbar und dokumentiert. Bei „seronegativen“ Patienten zeigt die Studienlage keine Überlegenheit von Belimumab gegenüber Standardtherapie. Aufgrund fehlender Daten kann der Einsatz bei einer aktiven Nieren- und/oder ZNS-Beteiligung zurzeit nicht empfohlen werden.
- Die Standardtherapie sollte ein Antimalariamittel beinhalten und eine Immunsuppression, deren Auswahl von der Vorgeschichte des jeweiligen Patienten und vorbekannten Unverträglichkeiten abhängt. Eine minimal notwendige begleitende Immunsuppression kann bisher nicht festgelegt werden.
- Sowohl für Methotrexat als auch MMF ist eine Zulassung zur Behandlung eines SLE in Deutschland nicht beantragt, daher besteht eine solche Zulassung nicht. Die DGRh empfiehlt ihren Einsatz bei aktiven SLE Patienten jedoch vor der Verwendung von Belimumab (auch wenn aus dieser Empfehlung kein Anspruch auf Erstattung abgeleitet werden kann). Dieses Vorgehen entspricht den Bedingungen in den Zulassungsstudien von Belimumab.
- Eine individuell angepasste Standardtherapie enthält langfristig eine maximale tägliche Dosis von 7,5 mg Prednisolonäquivalent. Deshalb stellen regelmäßig höhere Dosierungen auch bei fehlender klinischer Krankheitsaktivität eine mögliche Indikation für Belimumab dar.
Dosierung
Belimumab wird in einer Dosierung von 10 mg/kg Körpergewicht, zu Beginn zweimal in 2-wöchigen Infusionsintervallen, danach alle 4 Wochen angewandt.
Belimumab ist als ein lyophilisiertes Pulver in Einwegphiolen mit 120 mg oder 400 mg erhältlich. Die rekonstituierte Lösung wird mit 0,9% NaCl auf 250ml verdünnt. Glucose-Lösungen sollen zur Gabe nicht verwendet werden. Die intravenöse Infusionsdauer beträgt 1 Stunde. Eine Prämedikation ist nicht erforderlich, kann aber gegeben werden. Vor, während und nach der Infusion sind Puls- und Blutdruckkontrollen erforderlich. Im Fall einer leichten Unverträglichkeitsreaktion muss die Infusion gestoppt werden und kann nach dem Abklingen im Ermessen des behandelnden Arztes fortgeführt werden. Für schwere allergische Reaktionen ist eine Notfallausstattung bereitzuhalten, das Praxispersonal muss mit der Notfallbehandlung vertraut sein. Da auch das verzögerte Einsetzen solcher Reaktionen beobachtet wurde, sollen die Patienten zumindest nach den ersten beiden Infusionen für einen längeren Zeitraum (gemäß Fachinformation) unter fachkundiger Aufsicht bleiben.
Monitoring
Die Krankheitsaktivität (mittels validiertem Instrument) und die Infektionssituation sollten vor jeder Belimumab-Gabe erfasst werden. Die Aufnahme aller mit Belimumab therapierten Patienten in ein SLE-Biologika-Register wird empfohlen.
Impfungen
Lebendimpfungen sind bei allen immunsuppressiv Behandelten kontraindiziert. Über das Ansprechen anderer Impfungen unter Belimumab gibt es keine ausreichenden Daten. Da aufgrund des Wirkmechanismus von Belimumab eine eingeschränkte Impfantwort nicht unwahrscheinlich ist, sollte vor dem Einleiten dieser Therapie der Impfschutz überprüft und ggfs. optimiert werden.
Ansprechen
Ein Ansprechen auf eine Belimumab-Therapie kann nach 8 Wochen erkennbar sein. Wenn nach 24 Wochen das Therapieziel nicht erreicht ist, sollte die Therapie überdacht und ggfs. beendet werden.
5. KONTRAINDIKTION UND VORSICHTSMAßNAHMEN
Eine gesicherte Unverträglichkeit von Belimumab und eine aktive Infektion (Screening empfohlen) stellen absolute Kontraindikationen gegen Belimumab da. Bei mäßiger oder schwerer Niereninsuffizienz wurde Belimumab bisher nicht untersucht, ebenso wenig bei Leberfunktionsstörungen. In diesen Situationen kann Belimumab in der Regel nicht empfohlen werden.
Bei vorbestehender Hypogammaglobulinämie ist eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung vorzunehmen. Für Patienten mit Z.n. Organtransplantation liegen keine Erfahrungen mit der Anwendung der Substanz vor.
6. SCHWANGERSCHAFT UND STILLZEIT
Bisher liegen nur sehr begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung von Belimumab bei Schwangeren vor. Tierexperimentelle Studien an Affen ergaben neben der erwarteten pharmakologischen Wirkung, d. h. einer Reduktion der B-Zellen, keine Hinweise auf direkte oder indirekte gesundheitsschädliche Wirkungen in Bezug auf eine Reproduktionstoxizität. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung mit Belimumab und mindestens 4 Monate nach der letzten Behandlung eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden.
Es ist nicht bekannt, ob Belimumab in die Muttermilch übergeht oder nach oraler Aufnahme systemisch resorbiert wird. Allerdings wurde Belimumab in der Milch von Affenweibchen nachgewiesen, die alle 2 Wochen eine Dosis von 150 mg/kg erhielten. Da IgG-Antikörper in die Muttermilch übergehen, sollte Belimumab in der Stillzeit nicht angewendet werden.
7. GRUNDLAGEN DER BEWERTUNG
B-Lymphozyten-Stimulation
Belimumab ist ein voll humaner monoklonaler IgG1λ-Antikörper, der selektiv gegen den B-Lymphozyten-Stimulator (BLyS) gerichtet ist. BLyS ist ein natürliches lösliches Protein, das von verschiedenen Zelltypen exprimiert wird, unter anderem aktivierten neutrophilen Granulozyten, T-Zellen und dendritischen Zellen. Es bindet an drei Oberflächenrezeptoren von B-Lymphozyten [TACI („transmembrane activator and cyclophilin ligand interactor“), BCMA („B-cell maturation antigen“) und BAFF-R („BAFF receptor“]. Die Bindung an den Rezeptor ist für die Ausreifung von B-Lymphozyten bis zu antikörperbildenen Plasmazellen erforderlich. Darüber hinaus ist BLyS ein wichtiger Überlebensfaktor für B-Lymphozyten indem es die B-Zell-Apoptose hemmt1,2,3,4.
Bedeutung von BLyS bei SLE
Bei transgenen Mäusen führt eine Überexpression von BLyS zu einem Lupus-ähnlichen Syndrom mit Expansion von B-Zellen und Plasmazellen, Splenomegalie, Lymphadenopathie, hohen Spiegeln an Autoantikörpern und Antikörperablagerungen in den Nieren5,6. Eine Behandlung von Lupus-Mäusen mit löslichen BLyS-Rezeptoren mildert das Fortschreiten der Erkrankung und verlängert das Überleben7, 8. In Übereinstimmung hierzu konnte bei Primaten eine 50-60%ige B-Zell-Reduktion nach 4-8 wöchiger Belimumab-Gabe aufgezeigt werden9.
Bei SLE-Patienten wurden erhöhte BLyS-Serumspiegel festgestellt und eine Korrelation dieser Spiegel mit Immunglobulinspiegeln, Anti-dsDNA-Antikörper-Titern und mit der Krankheitsaktivität beschrieben10, 11, 12. Da hochaffine BLyS-Rezeptoren nicht in jedem Stadium der B-Zellentwicklung exprimiert werden, wirkt eine BLyS inhibierende Therapiestrategie vor allem auf B-Zellen im frühen Stadium ihrer Entwicklung, daher bleibt das immunologische Gedächtnis unbeeinträchtigt13.
Ergebnisse der Phase III Studien (BLISS-52 und BLISS-76)
Die Zulassung von Belimumab beruht auf den Ergebnissen der zwei multizentrischen, randomisierten Phase III-Studien BLISS-52 und BLISS-76.
BLISS-52 wurde über 52 Wochen in Nordamerika, West- und Zentral-Europa durchgeführt, eingeschlossen wurden 865 Patienten14. BLISS-76 wurde über 76 Wochen in Lateinamerika, Ost- und Zentral-Europa und Asien/Pazifik durchgeführt, eingeschlossen wurden 819 Patienten15. Beide Studien rekrutierten „seropositive“ SLE-Patienten (ANA ≤ 1:80 und/oder Anti-DNA-Antikörper ≤ 30 IU/ml) mit einer mäßig- bis mittelgradigen Krankheitsaktivität (SELENA-SLEDAI Score ≥ 6). Kontraindikationen für eine Studienteilnahme waren eine schwere aktive Lupusnephritis bzw. ZNS-Beteiligung. Die Patienten erhielten randomisiert entweder Belimumab 1 mg/kg oder 10 mg/kg oder Placebo (Tag 0, 14, 28, danach alle 28 Tage). Zusätzlich war eine stabile „Standardtherapie“ (Antimalariamittel, Immunsuppressiva, Glucocorticoide) erlaubt. Innerhalb der Studien war eine im Verlauf zunehmend restriktivere Begleit-Immunsuppression erlaubt; die Gabe von Glucocorticoiden erfolgte während der Studie nach klinischem Bedarf. Die Patienten-Charakteristika zum Zeitpunkt des Studienbeginns waren in beiden Studien vergleichbar, die Patienten in BLISS-76 hatten eine etwas längere Erkrankungsdauer (Tabelle 1). Im Rahmen von BLISS-52 wurden parallel höhere Glucocorticoiddosen und weniger Immunsuppressiva eingesetzt als Hinweis auf möglicherweise unterschiedliche therapeutische Strategien in unterschiedlichen Institutionen und Ländern.
In beiden Phase III Studien waren die am häufigsten aktiven Domänen im SELENA-SLEDAI Haut (82%), Immunserologie [C3-Eniedrigung bzw. erhöhte Anti-dsDNA-Ak] (80%), muskulo-skelettal (65%) und Nieren (16%). Die am häufigsten betroffenen Domänen im BILAG waren muskulo-skelettal (60%), muko-kutan (59%), Hämatologie (16%), Nieren (11%) und Allgemeinsymptome (11%).
Tabelle 1: Baseline Charakteristika der SLE-Patienten in den Studien BLISS-52 und BLISS-76 (Mittelwerte)
BLISS-52 |
BLISS-76 |
Gesamt- Kohorte |
|
Erkrankungsdauer, Jahre |
5.3 | 7.5 | 6.4 |
SELENA-SLEDAI, im Mittel |
9.8 | 9.7 | 9.7 |
BILAG IA/2B,% |
58 | 64 | 61 |
Anti-DNA-AK positiv,% |
75 | 64 | 69.4 |
Proteinurie (>0.5 g/24h), % |
25 | 16 | 20.1 |
Niedriges C3, % |
59 | 53 | 56.1 |
Antimalariamittel, % |
67 | 63 | 65.3 |
Prednisolon 7.5 mg/d, % |
69 | 46 | 58 |
Immunsuppressiva, % |
42 | 56 | 48.7 |
Klinisches Ansprechen
Als primärer Endpunkt wurde in beiden Studien der SLE-Responder-Index (SRI) nach 52 Wochen eingesetzt. Dieser SRI war nach kritischer Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Phase-II-Studie entwickelt worden16, in der sich gezeigt hatte, dass „seropositive“ Patienten im Vergleich zu anderen Patienten in diesem Responder-Index eine signifikante bessere Ansprechrate unter Belimumab zeigten (46% vs. 29%; p=0,006). Der SRI ist ein Kompositendpunkt, der sich aus 3 Parametern zusammensetzt [Verbesserung des SELENA-SLEDAI um ≥ 4 Punkte, gleichzeitig kein BILAG A Schub bzw. maximal ein BILAG B Schub (BILAG=„British Isles Lupus Assessment Group“) und keine Verschlechterung des „physician’s global assessment“ (PGA)]16, 17.
Sowohl in BLISS-52 als auch in BLISS-76 zeigten sich signifikant höhere SRI-Ansprechraten unter Belimumab plus Standardtherapie nach 52 Wochen [BLISS-52: 58 % (Belimumab 10 mg/kg) im Vergleich zu 44 % (Standardtherapie allein) (p=0.0006); BLISS 76: 43.2 % (Belimumab 10 mg/kg) im Vergleich zu 33.5 % (Standardtherapie allein) (p=0.017)].
Post-hoc Analysen der gepoolten Daten aus beiden Studien (n=1684 Patienten) identifizierten ein besseres Ansprechen bei Patienten mit höherer Krankheitsaktivität (SELENA-SLEDAI ≥ 10), niedrigem Komplement (C3 und/oder C4), positiven Anti-DNA-Antikörpern oder Glucocorticoidtherapie (n=876; 52% der eingeschlossenen Patienten in beiden Studien)18. Bei Patienten mit niedrigem Komplement bzw. positiven Anti-DNA-Antikörpern zeigten sich nach 52 Wochen signifikant höhere SRI-Ansprechraten [51.5 % (Belimumab 10 mg/kg) und 41.5 % (Belimumab 1 mg/kg) im Vergleich zu 31.7 % (Standardtherapie allein)]. Bei Patienten mit einem SELENA-SLEDAI ≥ 10 lag die Rate bei 63.2 % bzw. 58 % [vs. 44.3 %]18. Signifikante Unterschiede in den SRI-Ansprechraten waren unter der höheren Belimumab-Dosierung in diesen Subgruppen bereits nach 8 Wochen zu verzeichnen (im Vergleich zu im Mittel 16 Wochen bei allen Studienteilnehmern) und dieser Effekt hielt bis zu Woche 52 an. Nach Woche 24 steigerten sich die SRI-Ansprechraten kaum noch. In der gepoolten Datenanalyse zeigte sich, dass in dieser Gruppe mit niedrigem Komplement/hohen Anti-DNA-Antikörpern die Anzahl schwerer Schübe bis Woche 52 unter Belimumab signifikant reduziert wurde [Anzahl schwerer Schübe 19 % (Belimumab 10 mg/kg) im Vergleich zu 29.6 % (Standardtherapie), p 0.004]18. Zudem wurde eine signifikante Verbesserung der physischen Komponente im SF-36 und für Fatigue gezeigt, dabei fanden sich Unterschiede in Bezug auf Fatigue bereits nach 8 Wochen, die bis zum Studienende anhielten18. Post-hoc Analysen zeigten, dass serologisch aktive Patienten unter Belimumab signifikant häufiger Verbesserungen in mehreren Organsystemen erlebten. Effekte wurden dabei auf die häufigsten betroffenen Domänen (muko-kutan bzw. muskulo-skelettal) beobachtet, aber auch auf seltenere Manifestationen (z.B. Vaskulitis, Lupus-Kopfschmerz)19.
Ein Glucocorticoid-sparender Effekt wurde in beiden Studien dokumentiert. 69 % aller Patienten in BLISS-52 (BLISS-76: 46 %) nahmen initial eine Prednisolon-Dosis von mehr als 7,5 mg/Tag ein. Im Rahmen von BLISS-52 betrug der Anteil an Patienten, die eine anhaltende Prednisolonreduktion von entweder ≥ 50% bzw. auf < 7.5 mg erreichten 28 % (Belimumab 10 mg/kg) im Vergleich zu 15 % (Standardtherapie). Der Anteil an Patienten mit einer mindestens 25%igen Reduktion auf ≤7.5 mg/Tag zwischen Woche 40 und 52 lag bei 19% (BLISS-76: 17.5%) unter Belimumab 10 mg/kg vs 12 % (BLISS-76: 12.7%) unter Standardtherapie allein.
Im Rahmen der BLISS-76-Studie waren die Effekte insgesamt weniger stark ausgeprägt. Signifikant höhere Raten an Verbesserungen im SRI erreichte nur die mit 10 mg/kg Belimumab therapierte Gruppe (P=0.02 im Vergleich zu Plazebo); dieser Effekt war nach 76 Wochen nicht mehr nachweisbar (p=0.11). Eine Aussage zur Langzeitanwendung von Belimumab ist daher bisher nicht möglich, da auf der anderen Seite Daten aus der offenen Fortführung der Phase II Studie zeigen, dass die Schubrate unter Belimumab bei immerhin noch 237 nach vier Jahren in der Studie verblie-benen Patienten weiter abnahm (von 62% im ersten auf 16 % im vierten Jahr)20.
Serologische Veränderungen
In beiden Phase III Studien fanden sich in den Belimumab-behandelten Gruppen ein Anstieg des C3-Komplements und eine Reduktion der Anti-dsDNA-Antikörper. Ein signifikanter Effekt auf das Komplement wurde bereits nach 4 Wochen, auf die Anti-DNA-Antikörper nach 8 Wochen beschrieben11, 21. Eine Normalisierung des C3 zeigte sich beispielsweise in BLISS 52 nach 52 Wochen unter Belimumab 1(10) mg bei 36 % (43 %) vs. 19 % (Placebo) und eine Normalisierung der Anti-dsDNA-Antikörper bei 13% (17 %) vs. 6 % (Placebo)11. Etwa 44 % der Patienten hatten zu Beginn der Studie eine Hypergammaglobulinämie; davon zeigte die Hälfte eine Reduktion der Immunglobulinspiegel in den Normbereich oder knapp darunter bis zum Studienende11.
Verträglichkeit
Sowohl in der Phase II- als auch in beiden Phase III-Studien zeigte sich unter Belimumab auch in Ergänzung zur Standardtherapie eine gute Verträglichkeit und für alle untersuchten Dosierungen im Vergleich zu Placebo keine gesteigerte Rate unerwünschter Ereignisse.
Insgesamt wurde bei 93 % (Belimumab 10 mg/kg) bzw. 92.4 % (Placebo) der Patienten während der Behandlungsphase mindestens ein unerwünschtes Ereignis dokumentiert [http:/www.fda.gov/downloads/AdvisoryCommittees/]. Schwerwiegende Ereignisse betrafen 22.6 % unter Belimumab (10 mg/kg) im Vergleich zu 21.5 % (Placebo). In der „Completeranalyse“ beendeten 131 Patienten die Studie aufgrund von unerwünschten Effekten [6.7 % (Placebo), 6.1 % (Belimumab 1 mg/kg), 6.7 % (Belimumab 10 mg/kg)]
Unter den am häufigsten berichteten unerwünschten Effekten (≥ 5 % der Patienten entweder unter Verum oder Placebo) waren Übelkeit, Sinusitis, Bronchitis, Myalgien, Influenza, Hypertension, Arthritis, Hautausschläge, Schwindel, Schlaflosigkeit, Schmerzen in Extremitäten, Depression, Mundulzera, Bauchschmerzen und Gastroenteritis. Patienten unter Belimumab hatten mehr gastrointestinale Beschwerden (nur unter 10 mg/kg), Augenprobleme und kardiale Beschwerden (nur unter 10 mg/kg). Psychiatrische Ereignisse (in erster Linie Depression, Schlaflosigkeit und Angstzustände) wurden ebenfalls häufiger im Zusammenhang mit Belimumab (16%) berichtet als mit dem Placebo (12%). Schwere psychiatrische Ereignisse bzw. Depressionen und Suizide traten bei 0,8% (Belimumab) bzw. 0,4% (Placebo) auf.
Infusionsreaktionen
Infusionsassoziierte Ereignisse wurden in den Zulassungsstudien bei 17% der Belimumab-Patienten und 15% der Placebo-Patienten berichtet. Die meisten Infektionsreaktionen waren mild (Kopfschmerzen, Übelkeit und Hautreaktionen) und traten während der ersten oder zweiten Infusion auf. Schwerwiegende Infusionsreaktionen betrafen < 1% der Patienten (0,9 % in den Verum-Gruppen, 0,4 % unter Placebo). Dazu gehörten in seltenen Fällen auch anaphylaktische Reaktionen, die zum Studienabbruch führten (4 Patienten unter Belimumab). Insgesamt erhielten 13 % der Patienten eine antiallergische Prämedikation.
Aus der klinischen Anwendung gibt es Hinweise dafür, dass anaphylaktische Reaktionen vereinzelt auch verzögert einsetzen. Der Hersteller machte im März 2012 in einem Rote-Hand-Brief darauf aufmerksam, dass die Gabe von Belimumab zu schweren oder lebensbedrohlichen Überempfindlichkeits- und Infusionsreaktionen führen kann, von denen einige erst nach einigen Stunden, z.B. am Abend des Infusionstages auftraten. Eine Patientin verstarb, nachdem sie nach der zweiten Belimumab-Infusion ein Atemnotsyndrom mit nachfolgender Hypoxie und Angioödem entwickelt hatte; diese Patientin hatte multiple Arzneimittelallergien in der Vorgeschichte22.
Infektionen
Mindestens eine Infektion wurde bei 70 % (Belimumab 10 mg/kg) bzw. 67 % unter Placebo plus Standardtherapie dokumentiert. Schwere Infektionen traten in den Verum-Gruppen bei 7.3 % (1 mg/kg) bzw. 5.9 % (10 mg/kg) im Vergleich zu 6.7 % unter Placebo auf. Zu den häufigsten schweren Infektionen gehörten Pneumonien, Harnwegsinfektionen, Zellulitis, Bronchitis und Pyelonephritis. Es ergab sich kein Hinweis auf eine erhöhte Rate an opportunistischen Infektionen unter Belimumab.
Todesfälle und Malignome
Innerhalb der Studien- und Nachbeobachtungsphase der Phase II und beider Phase III Studien wurden insgesamt 25 Todesfälle dokumentiert, davon 12 in der Langzeitbeobachtung [http:/www.fda.gov/downloads/AdvisoryCommittees/, 23]. Die Mortalitätsrate pro 100 Patientenjahre betrug 0.43 (95% CI: 0.09, 1.25) in der mit Standardtherapie behandelten Gruppe und 0.55 (95% CI: 0.35, 0.84) unter Belimumab. Die relative Mortalität unter Belimumab war damit im Vergleich zu Placebo nicht erhöht (1,3 (95% CI: 0,39, 6,67). Häufigste Todesursachen waren Infektionen und kardiovaskuläre Ereignisse.
Malignome traten in den Verum-Gruppen bei drei Patienten (Mamma-, Cervix, Ovar-Karzinom) im Vergleich zu zwei (Mamma- bzw. Magen-Karzinom) unter Placebo auf23. In der Langzeitbeobachtung wurden drei hämatologische Malignome und fünf nicht-melanotische Hauttumoren berichtet.
Die zentrale Rolle der B-Lymphozyten in der Pathogenese des SLE hat in den letzten Jahren das Interesse insbesondere auf spezifischere, B-Zell gerichtete Therapien gelenkt. Belimumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen den B-Lymphozytenstimulator BLyS, der 2011 als Zusatztherapie bei erwachsenen Patienten mit systemischen Lupus erythematodes (SLE) zugelassen wurde. Auf Basis des aktuellen Kenntnisstands wird der Einsatz von Belimumab bei Patienten mit klinisch und serologisch aktivem SLE trotz einer individuell angepassten Standardtherapie empfohlen. Diese besteht in der Regel aus Antimalariamitteln, einem Immunsuppressivum (z.B. Azathioprin) und/oder Glucocorticoiden. Auch die Notwendigkeit von regelmäßig höheren Dosierungen von ≥ 7,5 mg Prednisolonäquivalent/Tag kann eine mögliche Indikation für Belimumab darstellen. Aufgrund fehlender Daten kann der Einsatz bei einer aktiven Nieren- und/oder ZNS-Beteiligung zurzeit nicht empfohlen werden.
Abstract
The central role of B-lymphocytes in the pathogenesis of SLE has turned the attention particularly to more specific B-cell targeted therapies in recent years. Belimumab is a monoclonal antibody against the B-lymphocyte stimulator BlyS and was approved in 2011 as additional therapy for adult patients with SLE. Based upon the available data, treatment with Belimumab is recommended in patients with clinically and serologically active SLE despite individually adjusted standard therapy. The standard therapy usually consists of antimalarials, an immunosuppressive drug (e.g. Azathioprine) and/or steroids. Even the necessity for regular higher dosages of 7.5 mg prednisolone equivalent/day could be a feasible medical indication for Belimumab. We do not recommend its use for the purpose of treating severe active lupus nephritis or severe active CNS lupus until efficacy has been shown for these indications.
Schlüsselwörter
Systemischer Lupus erythematosus – Belimumab – Therapie - Biologika
Keywords
Systemic lupus erythematosus – Belimumab – treatment - biologics
Rebecca Fischer-Betz, MD, Matthias Schneider, MD PhD - Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie, Heinrich Heine Universität Düsseldorf
und die Kommission Pharmakotherapie der DGRh.
Korrespondenz
Dr. Rebecca Fischer-Betz
Rheumazentrum Rhein-Ruhr
Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie
Moorenstr. 5
D-40225 Düsseldorf
E-mail: rebecca.fischer(at)med.uni-duesseldorf.de
Tel.: 0049-(0)211-811-7817
Die Autoren weisen auf folgende Beziehungen hin:
Dr. Fischer-Betz: Vorträge und Beratungstätigkeit für Abbott, Actelion, Chugai, Essex, GSK, Roche, Swedish Orphan Biovitrum , Pfizer, UCB, Wyeth
Prof. Dr. M. Schneider: Forschungsunterstützung, Vorträge und Beratungstätigkeit für Abbott, Actelion, Chugai, Essex, GSK, Merck Serono, Roche, Pfizer, UCB, Wyeth
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