Empfehlungen zur Mediterranen Ernährung als supportive Maßnahme bei rheumatischen Erkrankungen
Autoren:
apl. Prof. Dr. Gernot Keyßer (UK Halle (Saale)), Prof. Dr. Monika Reuß-Borst (Rheumatol. Praxis Bad Bocklet), Prof. Dr. Andreas Michalsen, Dr. Inna Frohne (UK Düsseldorf), Dr. Mandy Gläß (Rheumaklinik Vogelsang-Gommern), PD Dr. Alexander Pfeil (UK Jena), PD Dr. Oliver Sander (UK Düsseldorf), Prof. Dr. Olga Seifert, Dr. Olaf Schultz (Rheumaklinik Baden-Baden)
- alle für die Kommission 'Komplementäre Heilverfahren und Ernährung‘
1. Definition der Methode
Der Terminus „Mediterrane Ernährung“ (ME) beschreibt traditionelle Ernährungsgewohnheiten des Mittelmeerraumes. Diese weisen abhängig von Ländern und Regionen eine hohe Variabilität auf, haben jedoch wichtige Elemente gemeinsam [18].
Dazu gehören:
- ein hoher Anteil pflanzenbasierter Nahrung: Früchte, Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse, Brot, Cerealien
- Olivenöl als wichtigste Quelle von Fetten, und ein niedriger Anteil gesättigter tierischer Fette (z.B. Butter und Schmalz)
- Milchprodukte in Form von Käse, Joghurt und Kefir
- Fisch und Geflügel in variablen, aber im Vergleich zu durchschnittlicher „westlicher“ Ernährung geringen Anteilen, bei einem deutlich reduzierten Anteil von „rotem“ Fleisch
- Ein deutlich reduzierter Anteil von Weißzucker und Glukose-Fruktose-Sirup (enthalten z.B. in Softdrinks)
- Fakultativ: Weingenuß in geringen Mengen (nicht mehr als 10g Alkohol pro Tag) zu den Mahlzeiten
Diese Ernährungsform ermöglicht Vielfalt, kann sehr schmackhaft sein und ist wissenschaftlich gut untersucht.
2. Überblick über die wissenschaftliche Evidenz in der Literatur
Die Adhärenz zur ME kann in Scoresystemen quantifiziert werden. Dazu gehört der Alternate Mediterranean Diet Score (AMDS). Dieser wichtet die Anteile positiv bewerteter Nahrungskomponenten wie Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse mit positiven Zahlen, negativ bewertete (z.B. rotes Fleisch) mit negativen Zahlen [15]. Ein hoher Scorewert ist in Querschnittsstudien mit signifikant besserer Überlebenswahrscheinlichkeit assoziiert [15], zudem mit verringerter Wahrscheinlichkeit von Herzinfarkt und Apoplex [5]. Eine hohe Adhärenz zur ME geht mit geringeren Inzidenzen metabolischer Erkrankungen und Adipositas einher (Übersicht in [3]). In der longitudinalen Nurses Health Study korrelierte die Umstellung einer durchschnittlichen „westlichen“ Ernährung in Richtung eines höheren AMDS mit einer Verbesserung von Gesamtmortalität und Tod an kardiovaskulären Ursachen [14]. Eine große prospektive Studie zur Primärprävention von kardiovaskulären Ereignissen belegte einen protektiven Effekt der ME vor allem bei Anreicherung des Kostplans mit Olivenöl und Nüssen [4]. Eine ME lässt auch das Malignomrisiko sinken, vor allem im Hinblick auf colorektale Karzinome [9]. Hier haben Vollkornprodukte, Gemüse und Früchte den größten Einfluss, ebenso ein geringer Alkoholkonsum zu den Mahlzeiten [9].
3. Wissenschaftliche Evidenz in der Rheumatologie
Wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Einfluss der ME auf Erkrankungsrisiko und Verlauf finden sich nur bei wenigen rheumatischen Erkrankungen, die hier zusammengefasst sind:
Rheumatoide Arthritis (RA):
Der AMDS war in einer schwedischen Kohortenstudie invers korreliert mit dem Risiko für eine seropositive RA [8]. Hohe Adhärenz zur ME senkte das Risiko für eine RA verglichen mit niedriger Adhärenz um 21%, der Effekt war allerdings nur bei Männern statistisch signifikant [8]. Auch in der Nurses Health Study war bei über 170 000 Frauen keine Korrelation des AMDS mit dem RA-Risiko nachweisbar [6].
Bei etablierter RA führte eine ME im Rahmen einer kontrollierten Interventionsstudie zu einer geringfügigen, aber signifikanten Verbesserung der entzündlichen Aktivität, gemessen am DAS28 und an Patient Reported Outcomes (PRO), darunter dem Health Assessment Questionnaire und der visuellen Analogskala für Schmerz [13].
In einer weiteren Studie erhielten RA-Patienten eine genau definierte anti-entzündlichen Diät, die sich explizit auf die Prinzipien der ME stützte (Anti-Inflammatory Diet in RA, ADIRA-Studie). Auch hier ließen sich im Verlauf der Intervention Verbesserungen des DAS28 und von einigen PROs nachweisen, auch wenn die Veränderungen diskret waren und im Vergleich zu einer Kontrollgruppe das Signifikanzniveau knapp verfehlten [16, 17]. Die Diät führte zu einer hochsignifikanten Verbesserung von Parametern des Fettstoffwechsels im Sinne einer weniger atherogenen Lipidkonstellation [7].
Psoriasis-Arthritis (PsA):
Für einen möglichen Zusammenhang zwischen ME und PsA-Inzidenz gibt es nur indirekte Hinweise: Bei Psoriasis vulgaris ist die Schwere der Hauterscheinungen [11], bei manifester PsA die arthritische Aktivität [2] invers mit der Adhärenz an die Prinzipien der ME korreliert.
Spondyloarthritiden (SpA):
Eine Schulung von SpA-Patienten zur Anwendung der ME führte zu leichtgradigen Verbesserungen der Krankheitsaktivität, gemessen am ASDAS-CRP (Ankylosing Spondylitis Disease Activity Score mit C-reaktivem Protein) [10]
Systemischer Lupus erythemathodes (SLE):
Das Erkrankungsrisiko für einen SLE wird offenbar nicht von der Ernährungsqualität im allgemeinen und der Adhärenz zur ME beeinflusst [1]. Bei etabliertem SLE ging die Adhärenz zur ME in einer Querschnittsstudie mit geringeren kardiovaskulären Risikofaktoren, einer geringeren SLE-Aktivität im SLEDAI (Systemic Lupus Disease Activity Index) und weniger krankheitsbedingtem Schaden einher [12].
4. Mögliche Anwendungen in der Rheumatologie inclusive zu erwartender positiver Effekte
Patienten mit den o.g. Krankheitsbildern kann eine ME aufgrund der beschriebenen positiven Effekte auf die Erkrankungsaktivität als flankierende Maßnahme zur antirheumatischen Basistherapie empfohlen werden. Zudem kann die ME bei allen, auch den hier nicht aufgeführten rheumatischen Erkrankungen, aufgrund der positiven Effekte auf das kardiovaskuläre Risikoprofil und die Inzidenz metabolischer Begleiterkrankungen empfohlen werden.
5. Mögliche Nebenwirkungen und Limitationen
Bei sachgemäßer Anwendung sind keine negativen Effekte zu erwarten. Die ME ist nicht gleichzusetzen mit einer veganen Kost, so dass eine zusätzliche Supplementierung z.B. mit Vitamin B12 nicht erforderlich ist. Das Risiko, dass Patienten mit starker Affinität zur komplementären Medizin eine notwendige medikamentöse Therapie durch eine Ernährungsumstellung „ersetzen“ möchten, ist zwar gering, sollte aber berücksichtigt werden.
6. Abschließende Empfehlung der Kommission
Die Kommission empfiehlt, dass RheumatologInnen grundsätzlich allen PatientInnen, die wegen entzündlich- rheumatischen Erkrankungen in dauerhafter Betreuung sind, eine ME nahelegen und ihnen entsprechendes Informationsmaterial aushändigen. Dies gilt vor allem für Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen. Schulungsangebote von Patientenselbsthilfegruppen oder die Möglichkeit der Überweisung zu einer professionellen Ernährungsberatung für die ME sollten genutzt werden. Eine derartige Intervention ist nicht zwingend erforderlich, wenn der Patient bereits eine weitgehend pflanzenbasierte Kostform einhält, die den Anforderungen an eine gesundheitsförderliche Ernährung entspricht.
Literatur
1. Barbhaiya M, Tedeschi S, Sparks JA et al. (2021) Association of Dietary Quality With Risk of Incident Systemic Lupus Erythematosus in the Nurses’ Health Study and Nurses’ Health Study II. Arthritis care & research 73:1250-1258
2. Caso F, Navarini L, Carubbi F et al. (2020) Mediterranean diet and Psoriatic Arthritis activity: a multicenter cross-sectional study. Rheumatology international 40:951-958
3. Dominguez LJ, Di Bella G, Veronese N et al. (2021) Impact of Mediterranean Diet on Chronic Non-Communicable Diseases and Longevity. Nutrients 13
4. Estruch R, Ros E, Salas-Salvadó J et al. (2018) Primary Prevention of Cardiovascular Disease with a Mediterranean Diet Supplemented with Extra-Virgin Olive Oil or Nuts. The New England journal of medicine 378:e34
5. Fung TT, Rexrode KM, Mantzoros CS et al. (2009) Mediterranean diet and incidence of and mortality from coronary heart disease and stroke in women. Circulation 119:1093-1100
6. Hu Y, Costenbader KH, Gao X et al. (2015) Mediterranean diet and incidence of rheumatoid arthritis in women. Arthritis care & research 67:597-606
7. Hulander E, Bärebring L, Turesson Wadell A et al. (2021) Diet intervention improves cardiovascular profile in patients with rheumatoid arthritis: results from the randomized controlled cross-over trial ADIRA. Nutrition journal 20:9
8. Johansson K, Askling J, Alfredsson L et al. (2018) Mediterranean diet and risk of rheumatoid arthritis: a population-based case-control study. Arthritis research & therapy 20:175
9. Morze J, Danielewicz A, Przybyłowicz K et al. (2021) An updated systematic review and meta-analysis on adherence to mediterranean diet and risk of cancer. Eur J Nutr 60:1561-1586
10. Ometto F, Ortolan A, Farber D et al. (2021) Mediterranean diet in axial spondyloarthritis: an observational study in an Italian monocentric cohort. Arthritis research & therapy 23:219
11. Phan C, Touvier M, Kesse-Guyot E et al. (2018) Association Between Mediterranean Anti-inflammatory Dietary Profile and Severity of Psoriasis: Results From the NutriNet-Santé Cohort. JAMA Dermatology 154:1017-1024
12. Pocovi-Gerardino G, Correa-Rodríguez M, Callejas-Rubio J-L et al. (2020) Beneficial effect of Mediterranean diet on disease activity and cardiovascular risk in systemic lupus erythematosus patients: a cross-sectional study. Rheumatology 60:160-169
13. Sköldstam L, Hagfors L, Johansson G (2003) An experimental study of a Mediterranean diet intervention for patients with rheumatoid arthritis. Annals of the rheumatic diseases 62:208-214
14. Sotos-Prieto M, Bhupathiraju SN, Mattei J et al. (2017) Association of Changes in Diet Quality with Total and Cause-Specific Mortality. The New England journal of medicine 377:143-153
15. Trichopoulou A, Costacou T, Bamia C et al. (2003) Adherence to a Mediterranean Diet and Survival in a Greek Population. New England Journal of Medicine 348:2599-2608
16. Turesson Wadell A, Bärebring L, Hulander E et al. (2021) Effects on health-related quality of life in the randomized, controlled crossover trial ADIRA (Anti-inflammatory Diet In Rheumatoid Arthritis). PloS one 16:e0258716
17. Vadell AKE, Bärebring L, Hulander E et al. (2020) Anti-inflammatory Diet In Rheumatoid Arthritis (ADIRA)-a randomized, controlled crossover trial indicating effects on disease activity. The American journal of clinical nutrition 111:1203-1213
18. Willett WC, Sacks F, Trichopoulou A et al. (1995) Mediterranean diet pyramid: a cultural model for healthy eating. The American journal of clinical nutrition 61:1402s-1406s