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Prof. Dr. med. Elisabeth Stoeber

(5.5.1909-26.4.2007)

Einige Tage vor ihrem 98. Geburtstag, am 26.04.2007 verstarb mit Frau Prof. Elisabeth Stoeber die Altmeisterin der Deutschen Kinderrheumatologie, zugleich eine profilierte Persönlichkeit der Kinderheilkunde. Elisabeth Stoeber wurde 1909, also zur Zeit der Monarchie in Nürnberg geboren. Das Salvarsan war erfunden, die Dauerwelle und der erste Skilift erregten die Gemüter.

In München aufgewachsen, absolvierte Elisabeth Stoeber auch das Studium in der Landeshauptstadt. Nach dem Staatsexamen 1933 begann Elisabeth Stoeber ihre Ausbildung am Pathologischen Institut der Universität Freiburg. Damals hatte Ludwig Aschoff gerade die Rheumaknötchen im Herzen entdeckt. Elisabeth Stoeber war davon so fasziniert, dass die rheumatischen Erkrankungen ihren weiteren Lebensweg bestimmen sollten. Die Vorbildung in Freiburg und einige wissenschaftliche Arbeiten öffneten ihr den Weg in die Münchner Universitäts-Kinderklinik, dem renommierten Dr. von Hauner'sches Kinderspital. Schon in ihrer Ausbildung zur Kinderärztin befasste sie sich intensiv mit dem Rheumatischem Fieber, das durch die Endomyokarditis oft zum Siechtum führte.

Im zweiten Weltkrieg musste das Hauner'sche Kinderspital wegen der Bombenangriffe teilweise nach Ohlstadt bei Garmisch-Partenkirchen ausgelagert werden. Mit der ärztlichen Leitung in Ohlstadt betraut, kamen die Führungseigenschaften von Elisabeth Stoeber erstmals zum Tragen. In dieser Zeit verfasste sie auch ihre Habilitationsschrift über die epidemische Säuglingsmyokarditis, das „Schwielenherz des Säuglings", die sie 1944 vollendete. Nach dem Krieg musste Elisabeth Stoeber den Spätheimkehrern weichen. Ihre Tätigkeit in Ohlstadt bahnte ihr 1950 den Weg zur Chefärztin der 70-Betten-Heilstätte für tuberkulosekranke Kinder in Garmisch-Partenkirchen unter der Trägerschaft der Rummelsberger Anstalten der Inneren Mission e.V. Diese Aufgabe füllte sie jedoch in keinster Weise aus - „habe ich 2 Jahrzehnte dafür gelernt und gearbeitet, um eine TBC-Heilstätte zu leiten". So wuchsen aus dem Mut und der Kraft der Verzweiflung die Ideen für die Zukunft. Ein glücklicher Zufall kam zu Hilfe und brachte die Wende. Über den sog. Marshall-Plan der USA wurden Projekte mit Modellcharakter in der Nachkriegszeit gefördert. Elisabeth Stoeber lernte über den gleichen Skilehrer und Bergführer den Ersten Amerikanischen Hochkommisars, McCloy, kennen. Es gelang ihr, ihn von der Notwendigkeit eines Rheuma-Kinderkrankenhauses zu überzeugen. Zu ihrer eigenen Überraschung wurde der Antrag genehmigt und ein Scheck von
100.000 DM überreicht. Voraussetzung war jedoch, dass der Träger die gleiche Summe zulegte. Mit der ihr eigenen Überzeugungskraft gewann Elisabeth Stoeber in „dramatischen Sitzungen" auch die Rummelsberger Anstalten für ihr Vorhaben. Bereits 1952 wurde die erste kontinentaleuropäische Klinik für rheumakranke Kinder in Garmisch-Partenkirchen eingeweiht, eine herausragende Leistung. Die Kinderrheumatologie befand sich damals noch in einem Dornröschenschlaf. Lediglich in Taplow bei London hatte man sich in ähnlicher Weise dem Kinderrheuma verschrieben.

Zu aller Erstaunen wandelte sich ab Mitte der 50iger Jahre das klinische Bild. Das Rheumatische Fieber, für das die Klinik eigentlich gebaut war, ging rasch zurück. Immer mehr Kinder mit chronischen Gelenkentzündungen, damals noch als „primär chronische Polyarthritis und Still"sche Krankheit" bezeichnet, kamen nach Garmisch-Partenkirchen. Schwerkranke Kinder mit schmerzhaften Gelenken und Bewegungseinschränkungen bis hin zu Deformitäten erforderten neue Therapiekonzepte. Die Kinder kamen aus allen Bundesländern, so dass die Klinik zunehmend in Raumnot geriet. Dank der Aktivitäten von Elisabeth Stoeber entstand 1971 ein zweiter großzügiger Rheumabau mit über 100 Betten und zeitgemäßen Therapieeinrichtungen.

Mit Leidenschaft verschrieb sich Elisabeth Stoeber der Lehre und Forschung. Durch unzählige Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen, Krankenkassen und Verbänden, musste sie erst die Tür aufstoßen. Dass auch Kinder schon an einer chronischen Arthritis erkranken, war auch in Medizinerkreisen kaum bekannt. Als Mitglied des Lehrkörpers der Maximilian-Universität München vertrat sie regelmäßig die Kinderrheumatologie im Hauptkolleg. Am wichtigsten war ihr aber die Forschung. Ehrgeizig und zielstrebig versuchte sie, den Dingen auf den Grund zu gehen. Dabei hatte die Wissenschaft dem rheumakranken Kind zu dienen. Durch eine umfangreiche Dokumentation mit Lochkartensystem - auch für spätere Generationen noch eine Fundgrube - erleichterten die überwiegend klinischen Studien zur Differenzierung und Behandlung der chronischen Arthritis. Von 1950 bis 1974 gingen über 150 Publikationen aus der Klinik hervor.

Wichtige Impulse kamen aus der engen Zusammenarbeit mit der Erwachsenenrheumatologie, insbesondere mit Herrn Prof. Dr. med. Fritz Schilling und Prof. Dr. med. Hans-Georg Fassbender. Frühzeitig knüpfte Elisabeth Stoeber wissenschaftliche und auch freundschaftliche Kontakte auf europäischer und internationaler Ebene. Ein besonders reger Erfahrungsaustausch entwickelte sich mit der Rheumakinderklinik in Taplow bei London über Prof. Dr. med. E. Bywaters und Barbara Ansell.

Elisabeth Stoeber hat Pionierarbeit geleistet. Sie ist die Begründerin der deutschen Kinderrheumatologie. Sie hat die auf internationaler Ebene auch heute noch größte Rheumakinderklinik in Garmisch-Partenkirchen aufgebaut, Jahrzehnte bevor einzelne Universtiäts-Kinderkliniken begannen, sich für den Formenkreis der rheumatischen Erkrankungen zu interessieren. Für ihre herausragenden Leistungen wurde Elisabeth Stoeber mit der Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. und dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet.

Um das Lebenswerk von Frau Professor Elisabeth Stoeber würdigen zu können, muss man ihre Persönlichkeit kennen. Sie verfolgte ihre Ziele im Beruf wie im persönlichen Leben mit einer Beharrlichkeit bis zur Hartnäckigkeit. Durch ihren klaren und scharfen Verstand, ihre Ausstrahlungskraft und ihre hohen Maßstäbe an sich selbst und ihre Umgebung konnte sie auch ein herausfordernder Partner sein. Mit hohem persönlichem Einsatz kämpfte sie für ihre Ideen und deren Verwirklichung. Elisabeth Stoeber war sowohl fachlich wie auch bezüglich der Emanzipation immer ihrer Zeit weit voraus. Sie hat schon in den Fünfziger Jahren ein Matriarchat inmitten der patriarchalisch ausgerichteten Gesellschaft geschaffen. Die Kraft holte sich Elisabeth Stoeber aus der Liebe zu den Bergen durch sportliche Aktivitäten wie Skifahren und Langlaufen, Klettern und Bergsteigen. Auch schwierige Lebenssituationen hat sie gemeistert, beispielsweise eine Lawinenverschüttung im Artberg überstanden. Nach ihrer Pensionierung galten ihre Interessen Bräuchen und Kulturen entfernter Länder. Bei ihren vielen, teilweise abenteuerlichen Reisen war sie u.a. einer Appendektomie in China ausgesetzt.

Stets bewunderten wir ihre vorbildliche Selbstdisziplin, die kontrollierte innere und äußere Haltung. Immer elegant und geschmackvoll gekleidet blieb sie auch im Alter eine Grande Dame. Geistig wach nahm sie bis zuletzt Anteil am Fortschritt der Klinik wie der gesamten Kinderrheumatologie. Mit viel Energie erhielt sie sich ihre körperliche Mobilität und Freiheit. Zu ihrem 95. Geburtstag wünschte sie sich keine „tröstenden Worte" sondern „gute und anregende Gespräche".

Wir alle stehen auf den Schultern unserer Vorgänger. Als Nachfolger gedenken wir Frau Professor Elisabeth Stoeber mit großer Hochachtung und Dankbarkeit.

 

Hans Truckenbrodt und Hartmut Michels, Mai 2007
Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie