Regressandrohungen bei Off-Label-Einsatz von Methotrexat bei rheumatischen Erkrankungen
18.12.2023
In jüngster Zeit melden Rheumatologinnen und Rheumatologen in ganz Deutschland vermehrt Fälle von Regressandrohungen seitens einzelner Betriebskrankenkassen (BKKen) wegen des off-label-Einsatzes von Methotrexat (MTX) bei verschiedenen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Die BKKen begründen dies damit, dass anstelle von MTX andere herkömmliche immunsuppressive Medikamente wie z.B. Azathioprin oder Cyclophosphamid eingesetzt hätten werden können.
Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. und der Berufsverband Deutscher Rheumatologen e.V. (BDRh) wehren sich im Sinne ihrer Mitglieder und im Sinne betroffener Patientinnen und Patienten gegen dieses Vorgehen. In einem Schreiben baten wir bereits Anfang Oktober den BKK Dachverband darum, die betreffenden Kassen dazu aufzufordern, von den Regressforderungen abzusehen.
Denn niedrig-dosiertes Methotrexat (MTX) wird in der Rheumatologie seit Jahrzehnten erfolgreich nicht nur gemäß Zulassung zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis und der Psoriasisarthritis eingesetzt. Es ist auch ein fester Bestandteil der Therapie bei weiteren rheumatologischen Erkrankungen wie z.B. dem systemischen Lupus erythematodes (SLE), der Riesenzellarteriitis (RZA), der Polymyalgia rheumatica (PMR), der Dermatomyositis (DM) oder der Granulomatose mit Polyangiitis (GPA).
DGRh und BDRh wiesen den BKK Dachverband auch darauf hin, dass fortgesetzte Regressandrohungen gegenüber dem Einsatz von MTX in den genannten Indikationen einerseits mit dem Risiko einer Über- oder Unterbehandlung von Rheumapatienten verbunden sein könnten. Denn behandelnde Ärztinnen und Ärzte müssen auf die vorgeschlagenen zugelassenen Alternativen ausweichen. Andererseits würden sehr wahrscheinlich in deutlich größerem Umfang als bisher die für diese Indikationen zugelassenen Biologika-Therapien zum Einsatz kommen.
Ebenso sehen sich DGRh und BDRh der Wirtschaftlichkeit der Therapie, selbstverständlich auch der BKK-Mitglieder verpflichtet und möchten verhindern, dass die vielen MTX-Patienten in o.g. Indikationen medikamentös umgestellt werden müssen. Sofern die betreffenden BKKen tatsächlich auf Regressandrohungen für MTX beharren, müssen DGRh und BDRh ihren Mitgliedern empfehlen, in diesen Indikationen kein MTX mehr zu verordnen. Da Rheumatologinnen und Rheumatologen gemäß § 630a Abs. 2 BGB den Facharztstandard wahren und deshalb eine leitliniengerechte Versorgung durchführen, werden sie gezwungen sein, ihre Patientinnen und Patienten auf Biologika umzustellen.
Der BKK Dachverband reagierte mit erheblicher Verzögerung auf das Schreiben mit dem Hinweis, dass ihm als übergeordnete Organisation ein Zugriff auf die Abläufe seiner Mitgliedskrankenkassen nicht möglich sei. Man habe jedoch die betreffenden BKKen informiert. Bislang liegen von diesen keine Rückmeldungen vor. Deshalb richteten DGRh und BDRh inzwischen entsprechende Schreiben an die BKK Pfalz, die mhplus BKK und die vivida BKK.
Sollten Ihnen als Mitglieder von DGRh und/oder BDRh Fälle von Regressforderungen seitens der BKKen bekannt werden oder Sie davon betroffen sein, melden Sie uns diese bitte. Nennen Sie uns bitte den Namen der jeweiligen BKK, das Datum der Regressandrohung, die Indikation und Kombinationstherapie sowie idealerweise auch den Namen des/der betroffenen Kollegen/in. Derzeit erstellt der BDRh mit juristischer Beratung ein Antwortschreiben, das von Regressandrohungen betroffenen Rheumatologinnen und Rheumatologen nutzen können, um der jeweiligen Kasse zu antworten. Sobald uns das Schreiben vorliegt, stellen wir es Ihnen zur Verfügung.
Hintergrundargumentation:
Azathioprin oder Cyclophosphamid haben teils schon in den 1970er Jahren Zulassungen für einzelne Indikationen bekommen, wobei damals keine Anforderungen an erwiesene Wirksamkeit gestellt wurden und auch hierfür keine Evidenz auf Phase III-Niveau existiert. Wegen schlechterer Wirkung in Studien und Beobachtungskohorten einerseits (Azathioprin) und inakzeptabler Toxizität andererseits (Cyclophosphamid) werden diese daher nicht so regelhaft wie MTX eingesetzt.
Bei den o.g. Erkrankungen gilt MTX gemäß aktuellen Therapieempfehlungen und Leitlinien der wissenschaftlichen Fachgesellschaften als Therapieoption. Dies nicht zuletzt, weil damit Glucocorticoide eingespart und deren Folgeschäden vermieden werden. Wie bei vielen Medikamenten dieser Generation (Einsatz seit Mitte der 1980er Jahre) existiert jedoch in den o.g. Indikationen für deren Einsatz nicht immer wissenschaftliche Evidenz auf Niveau von Phase III-Studien. Der Vorteil von MTX ist aber die große Erfahrung, welche bezüglich Wirkung und Therapiesicherheit für dieses Medikament besteht und auch die Wirtschaftlichkeit mit moderaten Therapiekosten. Dies, da für o.g. Indikationen fast durchgehend als Therapiealternative Biologika-Therapien mit guter Evidenz aber ungleich höheren Therapiekosten zugelassen sind. Erwägungen der Wirtschaftlichkeit sind auch maßgebend dafür, dass unsere Mitglieder MTX in o.g. Indikationen i.d.R. vor den Biologika geben.
Jahrestherapiekosten für diese Indikationen für die Kostenträger pro Patient im Vergleich:
Methotrexat: ca. 920.- Euro/Jahr (s.c.-Gaben 15mg/Woche)
vs.
SLE: Belimumab (Benlysta) ca. 13.000.- Euro/Jahr oder
Anifrolumab (Saphnelo) ca. 12.750.- Euro/Jahr
RZA: Tocilizumab (RoActemra) ca. 24.250.- Euro/Jahr
PMR: Sarilumab (Kevzara, Zulassung ist beantragt) ca. 16.900.- /Jahr
DM: polyvalente Immunglobulintherapie ca. 185.000.-Euro/Jahr (bei 70kg Körpergewicht Octagam 10% 2g/kg)
GPA: Rituximab ca. 5000.- Euro/Jahr (Remissionserhaltung mit 2x 500mg/Jahr)